Seit einigen Monaten häufen sich die Zeiten mit negativen Preisen an den Strombörsen: Noch nie zuvor sanken die Preise so häufig unter Null wie im ersten Halbjahr 2025. Negative Preise treten typischerweise auf, wenn das Stromangebot größer ist als die -nachfrage. Während wir uns bereits an anderer Stelle mit den Ursachen und Konsequenzen dieser Preisentwicklung auseinandergesetzt haben, möchten wir nun einen Blick darauf werfen, was die negativen Preise für die Kund_innen in der Direktvermarktung bedeuten. Lars Zeljkovic, Team Lead Customer Service bei Next Kraftwerke, erläutert Zusammenhänge und Lösungsansätze.
Verena Dubois: Hi Lars, was bedeuten die negativen Preise für unsere Kund_innen?
Lars Zeljkovic: Das unterscheidet sich je nach Kundengruppe. Insbesondere Betreibende von Solaranlagen sind von dieser Entwicklung betroffen, da die negativen Preise oftmals auf eine hohe Solareinspeisung zurückzuführen sind. In der Folge sinkt der Marktwert Solar, also der durchschnittliche Preis, den der Energieträger erzielt und der durch uns ausgezahlt wird. Im Juni lag dieser nur noch bei 1,843 ct/kWh.
Verena: In der geförderten Direktvermarktung erhalten Anlagenbetreibende zusätzlich die gleitende Marktprämie vom Netzbetreiber – und damit im Endeffekt ihren garantierten EEG-Erlös. Sind die niedrigen bzw. negativen Preise für diese Kund_innen spürbar?
Lars: Von Erlöseinbußen betroffen sind – neben ungeförderten Anlagen – vor allem Betreibende mit Eigenverbrauch. Häufig handelt es sich bei diesen um Industriekunden, bei denen sich der Stromverbrauch primär auf die Wochentage beschränkt. Am Wochenende und an Feiertagen hingegen speisen diese Eigennutzer vermehrt ins Netz ein. Dies sind Zeitfenster, in denen wir sehr häufig negative Preise beobachten. Da Kund_innen mit Eigenverbrauch nicht mit dem Marktwert Solar vergütet werden, sondern genau die Erlöse erhalten, die in der jeweiligen Stunde der Einspeisung erzielt wurden, fallen die negativen Preise am Wochenende besonders ins Gewicht und können zu deutlich niedrigeren Gesamterlösen führen. Wir entwickeln aktuell eine speziell auf Eigenverbraucher zugeschnittene Strategie zur Abregelung.
Hinweis: Informationen zu den derzeitigen und historischen Preisen werden unter www.netztransparenz.de veröffentlicht - und auch in unserem monatlichen Newsletter finden Sie die aktuellen Marktwerte.
Verena: Bei negativen Preisen kann es aber auch zu einem Wegfall der Marktprämie kommen, Stichwort 4 bzw. 6 Stunden Regel. Und diese wurde ja letztes Jahr mit dem Solarspitzengesetz noch einmal verschärft. Kannst du das noch mal beleuchten?
Lars: Seit der Verschärfung der Regelung entfällt die Marktprämie nicht erst nach 4 bzw. 6 Stunden mit negativen Preisen, sondern direkt ab deren Auftreten. Die Verschärfung gilt allerdings nur für neue Anlagen. Die meisten Bestandsanlagen fallen noch unter die 4- bzw. 6-Stunden-Regel. Allerdings entfällt die Förderung auch dann nicht ersatzlos – die nicht vergüteten Zeiträume werden an die Förderdauer angehängt, können also am Ende der 20 Jahre EEG-Förderung noch in Anspruch genommen werden.
Verena: Um die Preise zu stabilisieren und damit auch das Stromnetz zu entlasten, erscheint es sinnvoll, Solaranlagen gezielt abzuregeln.
Lars: Das ist richtig. Ein Problem ist allerdings, dass viele Solaranlagen gar nicht in der Direktvermarktung sind. Die kleinen Dach- und Balkonkraftwerke, die heute den Großteil des Zubaus ausmachen, sind in der Regel in der fixen Einspeisevergütung und haben momentan noch keinen Anreiz, ihre Einspeisung an die Nachfrage anzupassen. In der Direktvermarktung sind wir bestrebt, steuerbare Anlagen abzuregeln, wenn die Preise negativ sind. Aber auch hier sind Grenzen gesetzt. Nicht jede Anlage ist technisch gut regelbar. Manche lassen sich beispielsweise nach einem Eingriff nicht wieder zuverlässig hochfahren. Gemeinsam mit unseren Kund_innen arbeiten wir daran, die Regelbarkeit zu steigern und die Auswirkungen von negativen Preisen zu minimieren.
Verena: Gibt es hier Lösungsansätze, um die Regelbarkeit zu verbessern?
Lars: Für manche Betreibende könnte es sinnvoll sein, auf eine andere Fernwirktechnik umzusteigen. Perspektivisch möchten wir zum Beispiel vielen unserer Solarkund_innen ermöglichen, die neue Next Box 4.0 zu nutzen, die wir inhouse entwickelt haben und mit der die Regelbarkeit zuverlässig hergestellt werden kann. Momentan sind wir bereits in der Pilotphase mit einigen Kund_innen. Ein breiterer Rollout ist für das zweite Quartal 2026 geplant.
Verena: Betreibende von flexiblen Anlagen – etwa Biogas oder Batteriespeicher – sind von niedrigen oder negativen Preisen weniger betroffen. Sie können von den schwankenden Preisen sogar profitieren. Wie genau sieht das aus?
Lars: Flexible Anlagen können – und sollten – die Schwankungen der Strompreise für eine bedarfsgerechte Fahrweise nutzen. Das bedeutet, dass sie von uns einen Fahrplan bekommen, bei dem ihre Fahrweise auf die Preisentwicklung abgestimmt ist: Bei hohen Preisen wird eingespeist, bei niedrigen oder negativen wird die Anlage heruntergefahren. Batteriespeicher nutzen diese Phasen für eine Beladung. Auf diese Weise werden nicht nur Erlöse optimiert, sondern auch das Stromnetz entlastet und stabilisiert. Denn extreme Preise sind meist Ausdruck davon, dass Angebot und Nachfrage nicht im Einklang sind. Mit einer flexiblen Anlage kann man hier gezielt gegensteuern.
Verena: Auch viele Betreibende von PV-Anlagen denken über den Zubau eines Batteriespeichers, eine sogenannte Co-Location, nach. Wie bewertest du dieses Modell?
Lars: Vor dem Hintergrund der aktuellen Marktentwicklung und dem geplantem PV-Zubau für die kommenden Jahre, der das Problem der negativen Preise weiter verschärfen wird, könnte dies eine sehr sinnvolle Option sein. Natürlich muss individuell geprüft werden, ob die technischen und regulatorischen Gegebenheiten für eine erfolgversprechende Co-Location vorliegen. Da Mitte 2026 die prozessuale Ausgestaltung zu Multi-Use-Speichern erwartet wird, könnte sich die Attraktivität solcher Anlagenkombination übrigens noch einmal deutlich erhöhen. Denn dann wird es unter gewissen Voraussetzungen auch möglich sein, den zugebauten Batteriespeicher auch aus dem Netz zu beladen, ohne dabei die Grünstromqualität des Solarstroms zu verlieren. Momentan kann man sich nur entscheiden, ob man den Speicher ausschließlich aus der Solaranlage belädt (CoLo grün) oder auch aus dem Netz (CoLo grau). In dem Fall verliert der Solarstrom seine Grünstromqualität. Trotzdem kann die Anlagenkombination auch schon heute für Anlagenbetreibende einen Mehrwert bieten. Wir haben hierzu auch bereits interessante Vermarktungsoptionen entwickelt.
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