Im Energiesektor bezeichnet der Begriff "Abregelung" die Reduzierung der Stromerzeugung oder - seltener - des Stromverbrauchs (Lastmanagement), wenn zu viel Strom oder nicht genügend Strom im Netz ist. Ziel der Abregelung ist es, die Belastung des Stromnetzes zu einem bestimmten Zeitpunkt des Tages zu verringern. Meistens wird die Abregelung mit der Reduzierung der Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen verbunden.
Je nach nationaler oder regionaler Regelung wird die Stromerzeugung oder der Stromverbrauch in der Regel gedrosselt, wenn das Stromnetz unvorhergesehenen Belastungen ausgesetzt ist und keine anderen Möglichkeiten zum Ausgleich des Netzes zur Verfügung stehen.
Eine Abregelung wird für unterschiedliche Probleme im Netzmanagement eingesetzt. Manchmal wird mit der Abregelung ein lokaler Engpass (Überlastung) auf der Verteilungsebene behoben, indem die Stromerzeugung vor dem Engpass gedrosselt wird. Auf diese Weise funktioniert sie wie die Verkehrspolizei, die eine Autobahnauffahrt sperrt, wenn es wegen eines Unfalls auf der Straße einen Kilometer weiter einen Stau gibt. Die Abregelung wird auch auf der Übertragungsebene eingesetzt, um die Frequenz des Netzes wiederherzustellen, wenn andere Maßnahmen wie Regelenergiereserven ausgeschöpft sind.
Unvohergesehene Ereignisse können Ungleichgewichte im Netz verursachen oder zu lokalen Engpässen führen, die dann durch die Abregelung überschüssiger Stromerzeugung gelöst werden, entweder lokal bei einzelnen Erzeugern (z. B. einer Windkraftanlage) oder sogar auf breiterer Basis (z. B. bei mehreren Windparks in einer bestimmten Region). In den meisten Fällen liegt die Ursache für die Abregelung also nicht in der Variabilität der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, sondern in der Unfähigkeit der derzeitigen Stromnetze, den überschüssigen Strom zu transportieren.
Eine weiterer Grund für Abregelungsmaßnahmen resultiert aus dem starken Zubau volatiler Erneuerbarer Energien wie Photovoltaik und Wind. An Sommertagen werden oft sehr hohe Einspeisewerte erreicht, die den Verbrauch bei weitem übersteigen. Durch den Stromüberschuss im Netz entstehen dann negative Preise. Direktvermarkter bzw. Bilanzkreisverantwortliche können ihre Anlagen in diesem Fall abregeln, um Ungleichgewichte im Bilanzkreis zu verhindern und finanzielle Nachteile für die Anlagenbetreibenden zu vermeiden.
In Deutschland sind, wie in vielen europäischen Ländern, die lokalen Verteilernetzbetreiber (VNB) und/oder die nationalen bzw. regionalen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) für die Veranlassung, Durchführung und manchmal auch für die Vergütung der erforderlichen Abschaltmaßnahmen verantwortlich. Bei einer Abregelung durch den Netzbetreiber spricht man inDeutschland auch vom Einspeisemanagement, welches 2021 durch den Redispatch 2.0 ersetzt wurde. Oftmals sind Betreibende von Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien gesetzlich verpflichtet, eine Abschaltung per Fernzugriff zu ermöglichen. So haben die Netzbetreiber die Möglichkeit, die Stromerzeugung aus der Ferne abzuschalten. Wenn VNB oder ÜNB die Einspeisung von Wind- oder Solarenergie abregeln, entsteht ein Verlust an potenzieller Energie, da Solar- oder Windparks die verlorenen Wind- oder Sonnenstunden natürlich nicht nachholen können. In Deutschland und einigen anderen Ländern wird dieser Energieverlust zum Nachteil des Stromerzeugers durch eine Vergütung für die abgeregelte (potenzielle) Einspeisung ausgeglichen. So entstanden durch Netzengpassmanagementmaßnahmen der deutschen Netzbetreiber im Jahr 2022 Gesamtkosten in Höhe von 4,2 Mrd. Euro, wovon 0,9 Mrd. Euro auf Redispatchkosten durch die Abregelung von Erneuerbaren Energien entfielen. Diese beinhaltet auch die finanzielle Kompensation durch den Netzbetreiber für die abgeregelte Stromerzeugung.
Durch den verstärkten Ausbau Erneuerbarer Energien wird zunehmend auch eine Abregelung durch Direktvermarkter oder Bilanzkreisverantwortliche eines Stromerzeugers vorgenommen. Dies ist dann sinnvoll, wenn die Preise auf den kurzfristigen Märkten (z. B. Spotmärkte) ungünstig bzw. negativ sind. Im letzteren Fall würde der Betreiber einer Stromerzeugungsanlage Geld verlieren, wenn die Anlage nicht abgeregelt würde.
Eine weitere Variante ist die Abregelung durch die Betreiber von Stromerzeugungsanlagen, also wenn diese die Stromproduktion ihrer Anlagen selbst abregeln. Dies geschieht selten und meist aus Umweltgründen, z. B. durch Vögel oder Fledermäuse in der Nähe eines Windrads. Geplante Wartungsarbeiten, aber auch spontane Störungen, die zu Ausfallzeiten bei der Stromerzeugung führen, gelten nicht als Abregelung.
Kurzfristig gibt es oft keine Alternative zu Abregelungsmaßnahmen, um Unterbrechungen der Stromversorgung zu vermeiden. Die Abregelung der Stromerzeugung oder des Stromverbrauchs ist ein wichtiges Element im Instrumentarium der Netzbetreiber, die für eine unterbrechungsfreie Stromversorgung verantwortlich sind.
Zwar ist die Abregelung der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien wenig effizient, da der entgangene, grüne und günstige Strom nutzbar gewesen wäre. Trotzdem ist auch die Abregelung durch Bilanzkreisverantwortliche mit dem Strompreis als Marktmechanismus ein wichtiger Bestandteil des Strommarktes. Die Abregelung ist hierbei eine notwendige Maßnahme, die parallel zum Ausbau weiterer Flexibilisierung beim Ausgleich des Stromnetzes hilfreich ist.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, um Abregelungsmaßnahmen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden. Die Umsetzbarkeit dieser Lösungen ist von Land zu Land unterschiedlich - abhängig von der nationalen Energielandschaft und -regulierung im Allgemeinen und der Anlagenklasse im Besonderen -, aber sie können grob in die folgenden Kategorien eingeteilt werden:
Die offensichtlichste Möglichkeit ist der Ausbau des Stromnetzes, um mehr Transportkapazität für überschüssigen Strom zu haben. Dies wird am Beispiel eines Verkehrsstaus sichtbar. Wenn eine Autobahn ständig verstopft ist, wird die Autobahn um zusätzliche Fahrspuren zu erweitert. Genauso müssen auch die Netzbetreiber die Transportkapazität durch den Ausbau der bestehenden Infrastruktur erhöhen. Die Errichtung von neuen Stromleitungen oder der Ausbau bestehender Leitungen ist langfristig eine effektive Maßnahme. Allerdings werden die positiven Effekte erst längerfristig sichtbar, da der Ausbau der Energienetze viele Jahre dauert und entsprechend kostenintensiv ist.
Eine weitere Möglichkeit erzeugten, überschüssigen Strom nicht abregeln zu müssen, ist die Nutzung oder Speicherung am Ort der Erzeugung. Wenn der Strom aus einem Wind- oder Solarpark nicht durch das Netz geleitet werden kann, können eine Batterie oder ein Elektrolyseur den Strom aufnehmen und speichern bzw. zur Herstellung von Wasserstoff verwenden. Mit dieser Option lassen sich Abregelungen reduzieren (ohne neue Stromleitungen zu verlegen), aber sie hat auch wirtschaftlichen Nachteile: Da der Speicher bzw. der Elektrolyseur vor Ort nur dann in Betrieb ist, wenn Stromüberschüsse vorhanden sind, sind durch die geringe Anzahl an Betriebsstunden die Rentabilität der Investition erst über einen langfristigen Zeitraum wirtschaftlich. Deshalb fördert der Staat den Bau solcher Anlagenkombinationen über die Innovationsausschreibungen, um z.B. Kombinationen aus einer PV-Anlage und einem Batteriespeicher attraktiver für Investoren zu machen.
Eine dritte Option zur Vermeidung oder Reduzierung von Abregelungsmaßnahmen ist intelligentes Netzmanagement, bei dem das Stromnetz und die angeschlossenen Anlagen über eine digitale Vernetzung zu steuern. In vielen Fällen haben die Netzbetreiber aktuell nur unzureichende Daten darüber, was in ihrem Netz passiert. Die Abschaltung überschüssiger Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie ist dann zwar oft die einfachste, aber nicht immer die effizienteste Variante. Stattdessen könnten hier über eine intelligente Laststeuerung deutliche Effizienzsteigerungen ermöglich werden.
Durch eine aktive Steuerung der Stromnachfrage können z. B. planbare Produktionsprozesse gezielt umgesetzt werden, wenn viel (günstiger) Strom im Netz verfügbar ist. Umgekehrt können Maschinen abgeschaltet werden, wenn gerade wenig (oder teurer) Strom vorhanden ist. So wird nicht nur das Stromnetz entlastet, sondern auch die Energiekosten des Unternehmens können deutlich gesenkt werden. Alternativ könnten Netzbetreiber die fossile Stromerzeugung oder dezentrale Stromerzeuger herunterfahren, die ihre Produktion zu einem späteren Zeitpunkt aufholen können, sowie den Stromverbrauch in Unternehmen und Haushalten durch nationale und/oder lokale Demand-Response-Programme oder Time-of-Use-Tarife erhöhen. Auch bereits bestehende dezentrale Speichermöglichkeiten (z. B. aus E-Fahrzeugen oder Hausbatterien) könnten zukünftig dafür nutzbar gemacht werden.
Der Bundestag hat im November 2023 eine Reform des EnWG beschlossen, mit der die Anzahl der Abregelungen durch strombedingte Netzengpässe verringert werden soll. Hierfür soll in bestimmten Regionen ein Anreiz zur Aktivierung von zusätzlichem Stromverbrauch geschaffen werden. Die Übertragungsnetzbetreiber können dann Strommengen zu einem vergünstigten Preis zuteilen.
Durch den Einsatz steuerbarer Verbraucher wie Batteriespeicher, Großwärmepumpen und Elektrolyseure soll der ansonsten abgeregelte Strom genutzt werden. Ab dem 1. Oktober 2024 beginnt eine Erprobungsphase, bei der die Übertragungsnetzbetreiber ein vereinfachtes pauschaliertes Zuteilungsverfahren anwenden.
Laut Bundesnetzagentur soll dieser Ansatz dabei unterstützen, die Potenziale erneuerbarer Energieerzeugung besser auszuschöpfen und stellt keinen Ersatz für den benötigten Ausbau des Stromnetzes dar.
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