Mit dem Begriff „Minutenreserve" (auch „Tertiärregelung", abgekürzt MRL) oder vom Verbund der zentraleuropäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E („European Network of Transmission System Operators for Electricity") bezeichnete manual Frequency Restoration Reserve (mFRR), ist die Bereitstellung von kurzfristigen Stromreserven (Regelenergie) zum Ausgleich von Schwankungen im bundesdeutschen Stromnetz nach einer Vorlaufzeit von 15 Minuten gemeint. Mit dem Einsatz der Minutenreserveleistung wird die Netzfrequenz gestützt, wenn sie signifikant unter 50 Hertz sinkt oder über 50 Hertz steigt und Netzfrequenzschwankungen auch nach Ablauf des Sekundärregelenergiezeitfensters nicht ausgeglichen werden konnten.
Die Minutenreserve wird unterschieden in „positive" und „negative" Minutenreserve. Die positive Minutenreserve ist die Reservekapazität, die im Notfall eine Unterproduktion auf dem deutschen Strommarkt abfedert und zusätzlichen Strom einspeist oder den Stromverbrauch senkt, um die Normalfrequenz von 50 Hertz im Stromnetz zu halten. Mit negativer Minutenreserve ist hingegen die Kapazität gemeint, die für das Speichern oder Zurückhalten von Strom bzw. die Steigerung des Stromverbrauchs benötigt wird, wenn zu viel Strom bei zu wenig Nachfrage im Netz vorhanden ist. Auf dem Regelenergiemarkt, der von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern organisiert wird, haben bisher hauptsächlich flexible Gaskraftwerke oder Pumpspeicherkraftwerke ihre Dienste zur Erbringung der Minutenreserve angeboten. Sie können innerhalb einer Viertelstunde ihre Produktion ändern, den Betrieb hochfahren oder einstellen. Gleiches gilt aber auch für Blockheizkraftwerke (BHKWs), Notstromaggregate, Biogasanlagen und flexible Stromverbraucher, die in einem Virtuellen Kraftwerk vernetzt sind.
Um Minutenreserve anbieten zu können, mussten Energieerzeuger früher positiv wie negativ mindestens 15 Megawatt Kraftwerksleistung bereitstellen, bis zum 2. Juli 2012 10 Megawatt, dann 5 Megawatt und seit dem 12. Juli 2018 1 Megawatt. Diese reduzierte Abgabemenge - nur 1 MW, 2 MW, 3 MW oder 4 MW möglich - ist nach Vorgaben der ausschreibenden ÜNB unter der Bedingung zulässig, dass der Anbieter des SRL-Produkts nur ein negatives oder positives Angebot je Produktzeitscheibe in der entsprechenden Regelzone einreicht. Dezentrale Stromerzeuger haben jedoch selten mehr als ein Megawatt an flexibler Leistung, die sie dem Übertragungsnetzbetreiber jederzeit zur Verfügung stellen können. Betreiber solcher Anlagen haben daher ohne ein Regelenergiepooling, das innerhalb der gleichen Regelzone zulässig ist, in einem Virtuellen Kraftwerk nur sehr geringe Markteintrittschancen. Durch eine Vernetzung dieser Kleinanlagen in einem Virtuellen Kraftwerk (z.B. dem Next Pool) können aber auch diese Anlagen am Regelenergiemarkt teilnehmen, so der Versorgungssicherheit dienen und Erlöse erwirtschaften.
Genau wie bei der Sekundärreserve wird auch bei der Minutenreserve sowohl die Vorhaltung der Leistung, als auch der tatsächliche Arbeitsabruf vergütet. Die Vergütung gliedert sich daher in einen Leistungspreis und einen Arbeitspreis. Sowohl Leistungspreise als auch Arbeitspreise sind Gebotspreise und unterliegen heftigen Marktschwankungen.
Unsere Analyse der aktuellsten Spotmarkt- und Regelenergiepreise sowie der Brennstoff-, CO2- und Terminmarktpreise macht gerade eine kurze Pause.
Da sich die Vergütung der Minutenreserve in Leistungspreis und Arbeitspreis aufteilt, müssen beide Preise bei der Gebotsabgabe angegeben werden. Der Leistungspreis, gehandelt im Regelleistungsmarkt, gibt hierbei einen Festpreis an, den der jeweilige Teilnehmer für die Bereitstellung von MRL erhält. Der Arbeitspreis umschreibt die Vergütung für die später, während des Angebotszeitraums, tatsächlich erbrachte Arbeit. Der Regelarbeitsmarkt ist seit November 2020 verantwortlich für den Handel der Arbeitsenergie - also der abgerufenen Energie durch die ÜNB. Mit diesem geänderten Marktdesign ist der Regelarbeitsmarkt nun vollständig unabhängig vom Regelleistungsmarkt. Relevant für die Bezuschlagung der einzelnen Gebote ist weiterhin die Höhe des Leistungs- oder Arbeitspreises. Die Bedarfe an MRL passen die Übertragungsnetzbetreiber quartalsweise an.
Anlagenbetreiber erhalten für die Bereitschaft, im Notfall die Leistung ihrer Anlagen herunterzufahren oder zu erhöhen, einen Leistungspreis. Der Leistungspreis ist also eine Bereitschaftsvergütung für die Vorhaltung von Leistung. Er wird in einem Pay-as-Bid-Verfahren bestimmt. Das bedeutet, dass jeder Anbieter die Höhe seines eigenen Leistungspreisgebots entsprechend seinen Kosten der Bereitstellung selbst bestimmen kann. Die abgegebenen Gebote ordnen die Übertragungsnetzbetreiber anschließend in einer Merit-Order-Liste (MOL) an: Aufsteigend vom niedrigsten bis zum höchsten Gebot bezuschlagen sie dann bei tatsächlichen Abrufen so viele Anlagen für den Bereitstellungspool von Minutenreserve, bis die zuvor ausgeschriebenen Bedarfe gedeckt sind.
Die Leistungspreise schwanken enorm in Abhängigkeit von Marktentwicklungen und saisonalen Gegebenheiten. Bis 2020 war insgesamt ein sinkender Trend der durchschnittlichen Leistungspreise zu erkennen. Ein Grund hierfür war unter anderem, dass durch Senkungen der Eintrittshürde in den Regelenergiemarkt auf 5 MW und seit dem 12. Juli 2018 auf 1 MW mittlerweile wesentlich mehr Teilnehmer am Regelenergiemarkt agieren und das Gesamtangebot an Regelenergie gestiegen ist. Mit den gesunkenen Kosten der Regelenergiebereitstellung ging auch eine Senkung der Netzentgelte einher. Seit 2021 ist aber wieder ein deutlicher Anstieg der Leistungspreise zu beobachten, was vor allem mit den stark gestiegenen CO2 - und Gaspreisen zusammenhängt. Mit dem Ausstieg aus Atomkraft und Kohle sind weitere Preissteigerungen auf dem Regelenergiemarkt zu erwarten.
Wenn ein Pool oder eine Anlage in der Leistungspreis-Merit-Order-Liste bezuschlagt wird, landet sein Gebot im sogenannten Bereitstellungspool. Hier entscheiden die Arbeitspreise über den tatsächlichen Einsatz der Anlagen. Sie werden ebenfalls wie die Leistungspreise über ein Pay-as-Bid-Verfahren bestimmt, sodass jeder Anbieter seinen eigenen Arbeitspreis festlegen kann. Durch die Einführung des Regelarbeitsmarktes für SRL und MRL erfolgen die Auktionen für die Erbringung von Regelarbeits seit November 2020 unabhängig von den abgegebenen Regelleistungsangeboten. Die Teilnahme an der Arbeitspreisauktion ist jetzt auch dann möglich, wenn kein Zuschlag des Leistungspreises in der Leistungspreisauktion zustande kommt. Stehen kurzfristige Flexibilitäten bereit, können Marktteilnehmer mit sogenannten free bids an der Regelarbeitsmarktauktion bis zu deren Schließung (Gate-Closure-Zeit) mitwirken. Die Arbeitspreisgebote werden dann wieder in einer Merit-Order-Liste vom niedrigsten zum höchsten Gebot angeordnet und beginnend mit dem niedrigsten Preis je nach Bedarf an Minutenreserve bezuschlagt. Bei einem Abruf erhält der Anbieter dann den Arbeitspreis, den er geboten hat.
Über das beschriebene Pay-as-Bid-Auktionsverfahren wird gewährleistet, dass die Vorhaltung und Erbringung von Minutenreserve für die ÜNB so günstig wie möglich bleibt, da kostengünstige Anlagen im Abruffall dank der Merit-Order-Liste bevorzugt abgerufen werden. Das bedeutet aber auch, dass die Anlagen mit den teuersten Arbeitspreisen, die in der Merit-Order-Liste weit hinten stehen, selten abgerufen werden, und daher häufig nicht in die Kosten von Regelenergieabrufen einfließen.
Seit dem 12. Juli 2018 finden die Auktionen für die MRL, genau wie die SRL-Auktionen, an jedem Kalendertag statt. Die erste kalendertägliche Auktion wurde am Mittwoch, den 11. Juli 2018, für den folgenden Donnerstag durchgeführt.
Der Bedarf an Minutenreserve wird von den ÜNB quartalsweise angepasst. Aus dem Kreis der bezuschlagten Teilnehmer wird in einem zweiten Schritt die tatsächlich benötigte Regelarbeit abgerufen, die mit dem Arbeitspreis vergütet wird.
Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass die Kosten zur Vorhaltung der Minutenreserve auf dem Regelenergiemarkt stark abgenommen haben. Seit 2013 sind die Kosten der Vorhaltung der MRL stetig gesunken. Im Vergleich zur PRL und SRL ist die MRL der kleinste Kostenpunkt.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.