Neben dem „normalen“ Internet mit YouTube und E-Mail sowie dem Internet of Things (IoT), in dem entsprechende IoT-Geräte mit Servern oder untereinander Daten austauschen und miteinander kommunizieren, ist das Internet of Value (IoV) die Beschreibung für ein digitales Netzwerk, in dem elektronisch und bei Bedarf auch vollautomatisch Transaktionen realisiert werden. In der ersten Generation von IoV-Anwendungen betraf dies hauptsächlich Finanztransaktionen, aber mittlerweile gibt es weitere Anwendungsbeispiele. Die Technologie, die häufig dem Internet of Value zugrunde liegt, ist die Blockchain, dessen erster und bekanntester Vertreter Bitcoin ist.
Unter einer Blockchain versteht man ein dezentrales Kassenbuch (auf englisch „Distributed Ledger“), das in der Lage ist, die einzelnen Einträge automatisiert selbst zu verifizieren. In der Praxis sieht dies so aus, dass in einer Blockchain eine Transaktion durch die vorhergegangene Transaktion validiert wird. Dafür wird der Header des Datenblocks der ersten Transaktion im Block der nachfolgenden Transaktion gespeichert. Auf diese Weise entsteht eine eindeutige Kette von Transaktionen, die nachträglich nicht mehr geändert werden können.
Das so entstandene Kassenbuch wird parallel auf allen Rechnern des Netzwerks gespeichert und sorgt so dafür, dass eine Manipulation nur möglich ist, wenn 50% plus einer der Knotenpunkte korrumpiert werden. Ein Angriff einzelner Knotenpunkte im Netzwerk reicht also nicht ausreicht – was die Datensicherheit erhöht. Gleichzeitig ist es aufgrund des Netzwerkaufbaus nicht mehr notwendig, dass Transaktionen von einer zentralen Instanz bestätigt werden müssen. Es ist also kein „Vertrauen“ in die zentrale Instanz mehr nötig. In der Theorie hat genau dieser Punkt das Potenzial, Transaktionen durch den Einsatz von Blockchain wesentlicher günstiger durchführen zu können, weil zentrale Mittelsmänner, auf die alle Marktteilnehmer angewiesen sind, wegfallen würden.
Zusammengefasst könnte man Blockchain als eine Technologie bezeichnen, die logisch zwar zentralisiert aufgebaut ist, physikalisch aber dezentral funktioniert. Ein Beispiel: Kaufe ich mit einer Blockchain-Währung wie etwa Bitcoin eine Ware im Internet, so wird diese Transaktion (im Falle von Bitcoin) von sechs Knoten im Netzwerk bestätigt und dann in einen aktiven Datenblock geschrieben. Ist der Block vollgeschrieben, wird der Block auf alle Knotenpunkte des Bitcoin-Netzwerkes gespiegelt und sein Header in den Körper des darauffolgenden Blocks geschrieben. Meine Transaktion ist somit für alle Ewigkeit auf allen Rechnern des Netzwerks abgelegt. Eine Manipulation dieser Daten ist somit extrem schwierig. Dieser Aufbau kann sinnvoll sein, wenn es z.B. keinen vertrauensvollen Mittelsmann gibt oder kleine Akteure mit geringen Transaktionsmengen keinen Zugang zu einem Markt bekommen.
Das Konzept von Blockchains wurde 1991 von Stuart Haber und W. Scott Stornetta zum ersten Mal akademisch umrissen. Primär ging es in dieser Arbeit noch darum, ein System zu implementieren, bei dem die Zeitstempel von Dokumenten nicht manipuliert oder rückdatiert werden können. Im weiteren Verlauf haben Dave Bayer, Stuart Haber und W. Scott Stornetta dieses Konzept um die Idee eines Merkle-Trees (bzw. Hash-Trees) erweitert. Das ist das oben beschriebene Prinzip, dass der Kopf eines Blocks in die nachfolgenden Blöcke eingefügt wird. So konnten erstmalig auch mehrere Datensätze in einem Block gespeichert werden. Die erste funktionierende Blockchain wurde 2008 von Satoshi Nakamoto vorgestellt. Bis heute ist nicht geklärt, ob es sich bei Nakamoto um eine einzelne Person oder eine Gruppe handelt. Nakamoto entwickelte auf Basis dieses Konzepts 2009 die Kryptowährung Bitcoin.
Welche Anwendungsmöglichkeiten bieten sich für Blockchains in der Energiewirtschaft? Ein denkbarer Einsatzzweck ist die Selbstorganisation des Strommarktes über Smart Meter in Kombination mit einer Blockchain. Ausgestattet mit Smart Metern wird die Stromproduktion dezentraler Anlagen sowie der Verbrauch von Stromabnehmern kontinuierlich überwacht. Durch die Blockchain könnte darüber hinaus ein Verbraucher, der mehr Strom benötigt, automatisch bei teilnehmenden Produzenten auf der Blockchain diesen Strom einkaufen lassen – es wäre auch möglich voreinzustellen, dass dieser Produzent sich (vornehmlich) in räumlicher Nähe zum Verbraucher befinden soll. Auf diese Weise werden Umwege über Aggregatoren und die Börse unnötig, was langfristig für eine Senkung der Stromkosten und eine sich selbst organisierende Stromlandschaft aus dezentralen Anlagen sorgen könnte.
Ein anderer Anwendungsfall könnte etwa die Koordination zwischen Übertragungsnetz- und Verteilnetzebene sein. Momentan ist es auf Verteilnetzebene schwer nachzuvollziehen, wie die Nachfrage nach Regelenergie von Aggregatoren durch Anlagen, die an das Verteilnetz angeschlossen sind, bereitgestellt wird, da die Kommunikation nur direkt zwischen Aggregator und Übertragungsnetzbetreiber erfolgt. Dieses Überspringen des VNBs in der Kommunikation bei Regelenergieabrufe kann dort in letzter Konsequenz zu Engpässen oder Überlastungen führen. Blockchains könnten in diesem Fall als digitaler Kommunikationskanal genutzt werden. Dadurch, dass alle Transaktionen auf allen Knotenpunkten gleichzeitig hinterlegt sind, kann auch der Verteilnetzbetreiber erkennen, wenn eine Regelenergieanfrage an eine Anlage gesendet wird. Es wäre dann denkbar, dass der Verteilnetzbetreiber über ein Interface ein Veto einlegen oder seinerseits Bedarfsanfragen zur Verteilnetzstabilisierung ausschreiben könnte. Aktuelle Pilotprojekte sind z.B. Gridchain in Österreich und Enko in Norddeutschland.
Jedoch sind bis zur Marktreife energiewirtschaftlicher Einsatzmöglichkeiten noch einige Schritte notwendig. So eignet sich Bitcoin als verbreitetste Blockchain bislang nicht zur Umsetzung dieser Aufgabe,da Bitcoin keine Smart Contracts unterstützt, die für die Komplexität energiewirtschaftlicher Transaktionen nötig wären. Ein weiteres Hindernis ist die Bearbeitungsgeschwindigkeit der Kryptowährung. Denn da Bitcoin eine offene Blockchain ist, der jeder beitreten kann, ist dort ein aufwendiges Kryptoverfahren zur Verifizierung neuer Blöcke („proof of work“) notwendig, um eine hohe Datensicherheit gewährleisten zu können. Das macht die Ausführung verhältnismäßig langsam: Bitcoin ist in der Lage etwa drei bis sieben Transaktionen pro Sekunde durchzuführen – für energiewirtschaftliche Transaktionen ist dies definitiv zu wenig. Zum Vergleich: An der EPEX Spot werden bis zu 200 Trades pro Sekunde vorgenommen.
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Beschränkt man jedoch den Zutritt zur Blockchain, indem neue Nutzer zunächst autorisiert werden müssen („proof of authority“), können auch die Anforderungen an den Verschlüsselungsgrad und die Verifizierung neuer Blöcke reduziert werden, sodass die Transaktionsrate steigen kann. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die autorisierten Teilnehmer vertrauensvoll sind, weil sie wie in der Energiewirtschaft üblich durch strenge Regularien kontrolliert werden, die Behörden durchsetzen. So eine Konsortial-Blockchain ist im Gegensatz zu Bitcoin kein offenes, sondern ein geschlossenes System. Aktuelle energie- oder finanzwirtschaftliche Anwendungen werden z.B. mit Ethereum oder Tendermint umgesetzt.
Die Blockchain-Technologie ist also in der Energiewirtschaft noch jung, jedoch gibt es bereits mehrere Projekte, in denen verschiedene Einsatzzwecke erprobt werden. Bis zum endgültigen Durchbruch werden noch einige Fragen geklärt werden müssen, die immer mit der Einführung neuer Technologie einhergehen: Wie wird sichergestellt, dass der regulatorische Rahmen technisch zuverlässig und sicher umgesetzt wird? Wer kann nachvollziehen und kontrollieren, dass die Technik genau das tut, was sie tun soll? Wie kann sichergestellt werden, dass Smart Meter korrekte Daten erheben und übertragen?