Strommasten, Stromleitungen und Umspannwerke müssen durch die Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber (ÜNB und VNB) gebaut und gewartet werden. Die Kosten hierfür finanzieren sich nicht aus Steuermitteln, sondern über die Netznutzungsentgelte, welche jeder Netznutzer an die Netzbetreiber zahlen muss.
Denn die Stromnetze sind seit der Strommarktliberalisierung in den späten 1990er Jahren nicht mehr Eigentum des Staates, sondern der Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber, welche auch die anfallenden Gebühren erheben. Die Netzentgelte können sich daher bereits zwischen zwei benachbarten Verteilnetzgebieten erheblich unterscheiden.
Die größte Herausforderung des Stromnetzausbaus ist derzeit die Transformation der bestehenden Netzinfrastruktur von einem zentralen Netz mit wenigen Großkraftwerken in ein dezentrales Netz mit vielen Stromerzeugern auf der Niederspannungsebene. Dieses ist notwendig, um die vielen zusätzlichen dezentralen Stromerzeuger auf Basis Erneuerbarer Energien aufzunehmen. Problematisch ist, dass der Ausbau der Netze, insbesondere im dünnbesiedelten, aber windenergiereichen Norden und Osten Deutschlands seit Jahren für steigende Netzentgelte sorgt.
Der Thinktank Agora Energiewende bezeichnet in einer Studie von 2019 die Netzentgelte in ihrer aktuellen Ausgestaltung als "Blindflug durch das Entgeltsystem" – ein Eindruck, der sich auch für uns beim Schreiben dieses Artikels bestätigt hat. Die Autoren gehen davon aus, dass die Netzkosten und Netzentgelt-Struktur "derzeit so instransparent [sei], dass es de facto unmöglich ist, Netzausbau und Netzkosten effizient zu regulieren."
Um die Kontrolle durch Politik und Wissenschaft bei den Netzentgelten wiederzuerlangen, schlagen die Autoren daher einen Grün- und Weißbuchprozess analog zum Entwicklungsprozess des Strommarkts der Energiewende vor. Schnell umsetzbare Maßnahmen könnten in einer Herstellung vollständiger Transparenz über Aufkommen und Verwendung der Netzentgelte, einem Ende der Anreize für möglichst gleichmäßigen Stromverbrauch (lesen Sie hierzu auch unseren Wissensartikel zum Peak Shaving) und der Sicherung niedriger Grundpreise für Kleinverbraucher bestehen.
Netzentgelte legen sich nicht auf marktwirtschaftlicher Grundlage fest, da es sich beim Stromnetz um ein natürliches Monopol handelt. Um dennoch Kosteneffizienz und Marktgerechtigkeit für kleinere Strommarktteilnehmer zu schaffen, entwickelte der Gesetzgeber die Anreizregulierungsverordnung (ARegV). Es findet zwar kein freier Wettbewerb statt, das System ist über die Anreizregulierung aber dennoch effizienzgetrieben.
Ganz praktisch funktioniert die Festlegung der Netzentgelte so: Nach Maßgabe der ARegV und der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) legt die Bundesnetzagentur (BNetzA) sogenannte Erlösobergrenzen für die deutschen Netzbetreiber fest. Diese Erlösobergrenzen gelten für eine Regulierungsperiode von fünf Jahren – jedes dieser fünf Jahre erhält aber eine eigene, auf Prognosen und Analysen basierende Erlösobergrenze. Die Einnahmen der Netzbetreiber aus Netzentgelten und anderen Quellen dürfen in Summe diesen festgelegten Wert nicht überschreiten.
Die Netzbetreiber müssen die Höhe der Netzentgelte öffentlich ausweisen und durch die BNetzA und unabhängige Wirtschaftsprüfer prüfen lassen. Änderungen an der Erlösobergrenze können die Netzbetreiber zur Vermeidung von unzumutbaren Härten beantragen, auch die BNetzA kann begründete Anpassungen vornehmen – allerdings müssen beide Seiten hierfür triftige Gründe haben.
Die tatsächlichen Kostenbestandteile der Netznutzungsentgelte zu bestimmen ist nicht ganz einfach. Es gibt bundesweit und von allen Netzbetreibern zu tragende Kosten, die wir im folgenden Abschnitt auflisten. Der Posten "Sonstiges" ist jedoch von Netzbetreiber zu Netzbetreiber verschieden: Unter anderem abhängig davon, ob es sich um einen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) oder einen Verteilnetzbetreiber (VNB) handelt, sind die individuellen Betriebs- und Wartungskosten für die einzelnen Unternehmen durchaus unterschiedlich. Allen Netzbetreibern ist jedoch eines gemeinsam: Sie müssen, außer in wirklichen Härtefällen, mit den Erlösen innerhalb der Obergrenzen auskommen.
Insbesondere der Posten unter "Sonstige" macht einen großen Anteil der Verwendung der Netzentgelte aus – leider ist dieser Posten sehr schwierig aufzuschlüsseln. Die unterschiedlichen Netzbetreiber haben unterschiedliche Aufgaben und Unternehmensgrößen, damit auch eine unterschiedliche Kostenstruktur – den allgemeingültigen Otto-Normal-Netzbetreiber gibt es nicht.
Zu beachten bei dieser Aufstellung ist auch, dass künftige Sonderkosten, beispielsweise zum Netzausbau der Nord-Süd-Stromverbindung in Deutschland, zur Verlegung von Erdkabeln und zum Ausbau von kapazitätsstarken Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstrassen (HGÜ-Trassen) noch nicht in die heutigen Aufstellungen eingepreist sind.
Leider ist die Zahlung der Netznutzungsentgelte in Deutschland so gestaltet, dass normale Haushaltsstromkunden mit dem Hauptanteil der Kosten belastet werden. Da sich diese, ähnliche wie kleinere dezentrale Stromproduzenten, im Niederspannungsnetz befinden, müssen sie die Anteile aller übergeordneten Stromnetzebenen bis zum Höchstspannungsnetz mitbezahlen. Gewerbe- und insbesondere größere Industriekunden, die an das Mittel- oder Hochspannungsnetz angeschlossen sind, zahlen nur Entgelte für die eigene Netzebene und die Netzebenen darüber.
Besonders große industrielle Verbraucher mit einem sehr gleichmäßigen Stromverbrauch verursachen weniger Kosten und können individuelle Netzentgelte beantragen, die auf der Grundlage ihrer erzeugten Kosten berechnet werden. Doch auch für Haushaltskunden gibt es Möglichkeiten, Netzentgelte zu sparen – beispielsweise über die Installation netzgebundener Stromspeicher (hierzu im übernächsten Abschnitt mehr). Auch Besitzer von Nachtspeicheröfen können Netzentgelte sparen, hier gibt es für die nächtliche Ladezeit sogenannte Nachtspeicherprofile mit reduziertem Netzentgeltanteil. Da aber aufgrund der immer volatiler werdenden Netznutzung das sogenannte "Nachttal" bei der Netzauslastung immer mehr verschwindet, sind diese Spezialtarife für Nachtspeicherheizungen auf dem Rückzug.
Nach § 118 Abs. 6 des Energiewirtschaftsgesetzes sind ans Stromnetz angeschlossene Stromspeicher für eine Zeitraum von 20 Jahren nach Inbetriebnahme von Netzentgelten freigestellt. Die Freistellung bezieht sich dabei auf den Bezug des zu speichernden Stroms. Diese Regelung gilt für Speicher, die 15 Jahre nach dem 4. August 2011, also bis zum 4. August 2026 in Betrieb genommen wurden oder werden.
Eine ähnliche Regelung gilt für überholte Pumpspeicherkraftwerke, deren elektrische Pump- oder Turbinenleistung um mindestens 7,5 Prozent erhöht wurde, alternativ ist auch der Nachweis einer Erhöhung der Speichermenge um 5 Prozent möglich. Die Befreiung von Netzentgelten gilt in diesem Fall ebenfalls für den zur Speicherung bezogenen Strom, ist allerdings, im Unterschied zu anderen Speicherformen, auf zehn Jahre begrenzt.
Das bundeseinheitliche Netznutzungsentgelt für alle Netznutzer gibt es (noch) nicht, regional lassen sich teils erhebliche Unterschiede feststellen. Grob unterteilt lässt sich sagen, dass die Netzentgelte im ländlichen Raum höher sind als in den Städten; auch sind die Entgelte im Nordosten deutlich höher als in Westdeutschland.
Für Haushaltskunden, Gewerbe- und Industriekunden ergeben sich zudem erhebliche Unterschiede: Während Haushalts- und Industriekunden vor allem im Nordosten Deutschlands (Großraum Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) und im Südwesten erheblich höhere Netzentgelte zahlen müssen, ist bei den Gewerbekunden vorrangig der Großraum Hamburg und das Land Schleswig-Holstein betroffen.
Erster Grund für die deutlichen Unterschiede ist die Auslastung der Netze – dabei kann nicht nur eine zu hohe, sondern auch eine zu geringe Auslastung der Netze Grund für höhere Netznutzungsentgelte sein. Denn sind nur wenige Netznutzer angeschlossen, verteilen sich die anfallenden Netznutzungsgebühren auf deutlich weniger Zahlungspflichtige. Dies zeigt sich beispielsweise im dünnbesiedelten Mecklenburg-Vorpommern.
Insbesondere in Gegenden mit einem starken Zubau Erneuerbarer Energien, hier sind der Südwesten Deutschlands (Solargürtel) und die windenergiereichen Küstenregionen zu nennen, sorgt die ansteigende Stromerzeugung in den unteren Spannungsebenen für einen Anstieg der Ausbau- und Wartungskosten. Der Hauptstromfluss verlagert sich hier von den höheren Spannungsebenen in die niedrigeren, wodurch sich die Kosten auf eine kleinere Strommenge verteilen und somit steigen.
Auch das Alter der Stromnetze ist ein wichtiger Faktor: Die ostdeutschen Stromnetze, Anfang der 1990er Jahre nahezu komplett neu aufgebaut, haben deutlich niedrigere Wartungs- und Reparaturkosten als die westdeutschen Netze – hier stammen wesentliche Installationen noch aus der Nachkriegszeit.
In diesen Netzen sind nicht nur die Übertragungsverluste höher, sondern auch die Verteilung der Netzkapazität stammt buchstäblich aus einer anderen Epoche und orientiert sich nicht mehr an den heutigen Bedürfnissen. Es gibt daher, ähnlich wie in anderen infrastrukturellen Sektoren auch, einen erheblichen Umbau- und Modernisierungsbedarf insbesondere in den ländlichen Regionen der alten BRD.
Dezentrale und erneuerbare Stromproduktionsanlagen erhalten vom Betreiber des Verteilnetzes, in welches sie einspeisen, ein Entgelt für die vermiedene Netznutzung, die sogenannten vermiedenen Netzentgelte (vNE). Dies ist in §18 StromNEV (Stromnetzentgeltverordnung) geregelt.
Die vermiedenen Netzentgelte setzen sich aus einem Arbeits- und einem Leistungsanteil zusammen. Die Berechnungsgrundlage bilden die vom jeweiligen Netzbetreiber veröffentlichten Preise.
Folgende Anlagen erhalten allerdings keine vermiedene Netzentgelte (nach §120 EnWG und §18 StromNEV):
Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung der Förderungsmaßnahme ursprünglich davon aus, dass lokal erzeugter Strom aus dezentralen Stromproduktionsanlagen auch regional verbraucht werden würde. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass erheblich mehr regional erzeugter Strom überregional verbraucht wird und die Übertragungsnetze zusätzlich belastet. Daher stehen die vNE auch immer wieder in der Kritik und wurden in den letzten Jahren wieder stärker eingeschränkt, beispielsweise indem neue Windkraft- und PV-Anlagen ausgeschlossen wurden.
Diese Entwicklung führte 2017 schließlich zum Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NeMOG), welches die Möglichkeiten zur Vermeidung von Netzentgelten stark einschränkt:
Neue dezentrale Anlagen können die Zahlung von Netzentgelten nur noch vermeiden, wenn ihre Erstinbetriebnahme bis zum 1. Januar 2023 erfolgt. Anlagen mit volatiler Einspeisung, beispielsweise mit den Energieträgern Wind und Sonne, müssen bei Erstinbetriebnahme nach dem 1. Januar 2018 bereits Netzentgelte zahlen.
Bestandsanlagen mit volatiler Einspeisung können nur noch bis zum 31. Dezember 2019 die Zahlung von Netzentgelten vermeiden, für alle anderen dezentralen Anlagen wurde als Datum der 31. Dezember 2022 festgesetzt.
Durch die Änderungen an den vermiedenen Netzentgelten konnten die Netzentgelte zumindest für das Jahr 2018 minimal unter das Vorjahresniveau gesenkt werden – eine Entwicklung, die sich aber wahrscheinlich nicht fortsetzen wird.
Gewerbliche und industrielle Stromverbraucher haben in der Regel einen deutlich höheren Stromverbrauch als Privathaushalte. Dies führt natürlich zu einer höheren Belastung durch Netzentgeltzahlungen. In der Regel wird dies bereits in gewerblichen und industriellen Strombezugsverträgen berücksichtigt. Allerdings hat diese "Nachsicht" mit Großverbrauchern Grenzen: Beim Auftreten von Lastspitzen, beispielsweise durch das Anfahren großer Maschinen oder den Start von Heiz- oder Kälteprozessen, können die Netzentgelte erheblich ansteigen.
So kann schon eine Lastspitze in nur einer Viertelstunde im Jahr ausreichen, um die Netznutzungsentgelte für das stromverbrauchende Unternehmen stark nach oben zu treiben. Es ist daher erklärtes Ziel des industriellen und gewerblichen Energiemanagements Lastspitzen zu vermeiden. Wie dies möglich ist, haben wir Ihnen in unserem Wissensartikel zum Thema Peak Shaving erläutert.
Die Netzentgelte entwickeln sich seit 2012 nach oben – dies hat allerdings nach einer Studie des Fraunhofer Instituts für System und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des BMWi weit weniger mit den Erneuerbaren Energien zu tun, als landläufig vermutet.
Insbesondere die Entgeltspreizung zwischen dem niedrigsten Entgelt für Haushaltskunden (4,9 ct pro kWh) und dem höchsten (11,6 ct pro kWh) hat sich seit der Zeit vor dem Beginn des starken EE-Zubaus kaum verändert. Die Steigerungen seien somit nicht energiewende- sondern strukturbedingt und der Netztransformation geschuldet.
Denn Hauptkostenfaktor ist und bleibt der nach wie vor der sehr langsam verlaufende Netzausbau: Bis 2023 rechnet der Wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages mit einem weiteren Anstieg der Netzentgelte auf bis zu 7,6 Cent pro kWh – allerdings sind hier die speziell in den Jahren bis 2022 erforderlichen „besonderen netztechnischen Betriebsmittel“ noch nicht mit eingerechnet. Mittelfristig gehen die Experten des BMWi von einer Steigerung von 3 Mrd. Euro pro Jahr aus.
Diese Sonderausgaben sind nötig, um in Süddeutschland netzstabilisierende Anlagen zur Kompensation der Verluste durch die Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke 2022 zu finanzieren. Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ) Südostlink und Südlink, welche dauerhaft die Versorgung Süddeutschlands mit Windstrom aus dem Norden sicherstellen sollen, werden nämlich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt sein. Die entstehende „Lücke“, hauptsächlich dem langsamen Netzausbau geschuldet, müssen die Netznutzer und damit die Stromkunden bezahlen.
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Die Diskussion um die Netzentgelte ist derzeit eines der wichtigsten Themen auf dem Strommarkt - besonders aus der Perspektive gewerblicher und industrieller Großverbraucher. In diesem Abschnitt halten wir Sie daher über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Netzentgelte auf dem Laufenden und berichten in loser Folge über Maßnahmen und Planungen der Bundesregierung.
Um regionale Unterschiede auszugleichen, beschloss das Bundeskabinett am 25. April 2018 die Einführung von bundeseinheitlichen Netzentgelten, die ab 2019 schrittweise bis 2023 erfolgen soll. Hiervon werden insbesondere Regionen mit bislang sehr teuren Netzentgelten profitieren – Regionen mit bislang niedrigen Netzentgelten werden jedoch, insbesondere im für Haushalts- und Kleingewerbekunden relevanten Niederspannungsbereich, vermutlich mehr zahlen müssen.
Jenseits der Pläne für die Einführung von bundeseinheitlichen Netzentgelten plant die Bundesregierung auf Basis eines Vorschlags der Kohlekommission, sich ab 2023 an der Finanzierung der Netzentgelte für private und gewerbliche Stromverbraucher zu beteiligen. Der im Herbst 2019 gemachte Vorschlag sieht vor, mittels eines Betrags von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr die Netzentgelte zu senken, wie der Branchendienst energate berichtet. Dies würde Großkunden wie Industriebetrieben eine sofortige Entlastung bringen, auch Endverbraucher auf Verteilnetzebene würden durch eine geringere Kostenbeteiligung profitieren.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.