Was ist das Strukturrisiko? Was ist die Folge des Strukturrisikos? Was sind die bestimmenden Einflüsse des Strukturrisikos? Hier gibt es die Antworten…
Ohne viel Brimborium: Der Begriff „Strukturrisiko“ (oder sein Gegenspieler die „Strukturchance“) ist kein einheitlich, feststehender Begriff im Rahmen der erneuerbaren Energien. Unternehmen sowie die thematisch an die Erneuerbaren gebundene akademische Lehre verwenden alternative Begriffe. Diese uneinheitliche Sprachpraxis führt leider zu dem Problem, dass sich der Begriff „Strukturrisiko“ der Obrigkeit Googles widersetzt. Sprich, Google trägt hier nichts zu einem erhellenden Erkenntnisprozess bei.
Jedoch kann das dahinter stehende Phänomen erklärt werden und genau das ist das Reiseziel dieses Artikels. Leitend auf dieser Reise sind die folgenden 3 WAS-Fragen, die das Phänomen hinter dem Begriff „Strukturrisiko“ scharf zeichnen wollen.
Das Strukturrisiko ist lediglich die Differenz zwischen dem an der Strombörse erzielten mittleren Preis für die eingespeiste Strommenge einer bestimmten Stromerzeugungsanlage (bspw. einer Windkraftanlage) und dem Monatsmittelwert aller Stundenpreise am Spotmarkt für diese Anlagenart (bspw. der gesamte Windpark Deutschland). Ergibt sich ein negativer Wert, wird von „Strukturrisiko“ gesprochen. Ein positiver Wert erzeugt eine „Strukturchance“. Was hier auf den ersten Blick kompliziert scheint, ist auf den zweiten Blick recht einfach. Denn der eigentlich ausschlaggebende Faktor ist der Zeitraum der Stromerzeugung bzw. Stromeinspeisung. Bekanntlich werden beim Verkauf von Strom höhere Börsenpreise erzielt, wenn der Verkauf zu höherpreisigen Zeiten erfolgt. Der systematische Verkauf von Strom außerhalb der Spitzenzeiten verschärft das Strukturrisiko. Dieser Zusammenhang zeigt sich in der nächsten WAS-Frage genauer. Eine Anmerkung noch: Der Parameter Strukturrisiko ist nur zweckmäßig, wenn die Stromerzeugungsanlagen energieträgerspezifisch (bspw. Wind, Solar, Biogas, Wasser, usw.) verglichen werden. Denn Biogas kann nicht sinnvollerweise mit Solarenergie verglichen werden, da die Stromproduktion aus Biogas besser prognostizierbar und sogar regelbar ist. Auch werden die Monatsmittelwerte der Stundenkontrakte am Spotmarkt je nach Energieträger, bzw. nach der Eigenschaft „steuerbar oder fluktuierend“ ermittelt.
Die Folge des Strukturrisikos lässt sich am besten an einem Beispiel darstellen: Man stelle sich einen Energieerzeuger vor, dessen Windkraftanlage in einer windschwachen Region steht. Zugleich erzeugt diese Anlage den meisten Strom nachts. In der Folge wird der Betreiber nicht den Monatsmittelwert erreichen, denn Strom ist zu Spitzennachfragezeiten - und somit tagsüber - teurer. Ein Vergleich zwischen fixer Einspeisevergütung und der Direktvermarktung soll hier für ein besseres Verständnis helfen.
Vor der Novellierung des EEG 2012 hat unser imaginärer Windmüller eine fixe Einspeisevergütung erhalten. Nehmen wir als Zahlenbeispiel einen Erlös von 9 ct/kWh. Nach der EEG-Novellierung 2012 erhält der Erzeuger – sofern er ins Direktvermarktungsmodell mit seinen Zuverdienstmöglichkeiten (im Fall der Windenergie insbesondere die Managementprämie) wechselt – einerseits die Marktprämie sowie seine Börsenerlöse aus dem Stromverkauf. Auch hier liegen die summierten Erlöse bei 9 ct/kWh - davon kommen 4,5 ct/kWh aus dem Stromverkauf an der Strombörse und 4,5 ct/kWh aus der Marktprämie. Die Höhe der Marktprämie orientiert sich u.a. am sogenannten Marktwert, der wiederum an den Monatsmittelwert der Stundenkontrakte am Spotmarkt gebunden ist. Sollten nun die tatsächlichen Börsenerlöse der Anlage unter dem Monatsmittelwert liegen, fährt der Erzeuger im Ergebnis weniger Erlöse ein als mit der fixen Einspeisevergütung. Liegen somit die tatsächlich erzielten Stromerlöse der Einzelanlage durch eine nicht nachfrageorientierte Stromeinspeisung bei 4 ct/kWh, erhält der Stromerzeuger zwar noch 4,5 ct/kWh aus der Marktprämie, liegt jedoch in der Summe bei nur 8,5 ct/kWh anstatt bei den 9 ct/kWh der fixen Einspeisevergütung. Diese 0,5 ct/kWh Verluste stellen das Strukturrisiko dar. Das Spiegelszenario mit 0,5 ct/kWh Börsenmehrerlösen oberhalb des Monatsmittelwerts ist die sogenannte Strukturchance.
Beispiel-Rechnung:
eingespeiste Menge (Monat X) | Monatsmittelwert erzielter Strompreise | Marktwert | Strukturrisiko / Strukturchance | |
---|---|---|---|---|
Windpark Deutschland | 7.000 GWh | 4,5 ct/kWh | 4,5 ct/kWh | - |
Windpark 1 | 700 MWh | 4,0 ct/kWh | 4,5 ct/kWh | -0,5 ct/kWh (Strukturrisiko) |
Windpark 2 | 600 MWh | 5,0 ct/kWh | 4,5 ct/kWh | +0,5 ct/kWh (Strukturchance) |
Es gibt viele unterschiedliche Einflüsse des Strukturrisikos, prinzipiell alle Faktoren, die auf die Menge des produzierten Stroms zu höherpreisigen Zeiten wirken. Dies beinhaltet geographische Bezüge, die grundsätzlich in mikroregionale und makroregionale Bedingungen separiert werden können. Makroregionale Bedingungen bilden die dauerhaft stetigen Witterungseinflüsse ab, beispielsweise die jährlich durchschnittlichen Sonnenstunden von Süddeutschland. Zu den mikroregionalen Bedingungen gehören topographische Witterungseinflüsse, beispielsweise eine örtliche Baumreihe oder ein Berghügel, die den Wind seiner Kraft berauben. Auch ein möglicher Kapazitätenzubau des gesamten Windparks Deutschland beeinflusst das Strukturrisiko. Andere Einflüsse tragen der technischen Spezifika der Anlage Rechnung. Wie hoch ist der Wirkungsgrad einer Einzelanlage im Deutschlandvergleich? Oder wie verhält es sich mit der Wartungsanfälligkeit der Anlage? Wiederholte und lange Wartungsarbeiten zehren an der Stromeinspeisemenge, vor allem wenn sie zu Spitzennachfragezeiten durchgeführt werden.
Prinzipiell werden Betreiber diese Faktoren höchstwahrscheinlich nicht zu ihren Gunsten beeinflussen können; mit Ausnahme von Biogasanlagenbetreibern. Diese können ihr Strukturrisiko gezielt in eine Strukturchance qua bedarfsorientierter Fahrweise wandeln.
Für Betreiber anderer regenerativer Energieträger (aber auch für Biogasanlagenbetreiber) besteht aber kein Grund zur Sorge, denn es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Sollte der Stromerzeuger sich innerhalb des Marktprämienmodells für die Zusammenarbeit mit einem Direktvermarkter (wie Next Kraftwerke etwa) entscheiden, kann der Anlagenbetreiber das finanzielle Wagnis „Strukturrisiko“ an den Direktvermarkter abgeben. D.h. der Vermarkter übernimmt das Strukturrisiko (im genannten Beispiel i.H.v. 0,5 ct/KWh).