Liebe Netzgemeinde, herzlich Willkommen beim Live-Blogging von Next Kraftwerke zur Sonnenfinsternis am Freitag, 20.März 2015.
Wir werden euch an dieser Stelle mit aktuellen Informationen zu den Auswirkungen der Sonnenfinsternis auf das Stromsystem, die Reaktion der Marktteilnehmer an den Stromhandelsplätzen und vielen Hintergrundinformationen aus unserem Schwarmkraftwerk versorgen. Wir freuen uns drauf!Über Twitter könnt ihr uns auch direkt eure Fragen stellen, schreibt uns einfach an @Next_Kraftwerke.
19.3., 12:57 Uhr – Solarprognosen | 19.3., 15:21 Uhr – Besonderheiten dieser Sonnenfinsternis | 19.3., 17:58 Uhr – Werkzeuge zur Stromnetzstabilisierung | 19.3., 19:21 Uhr – Regelenergie | Rampen | 19.3., 19:36 Uhr – Strombörse | 19.3., 20:37 Uhr – Sonnenfinsternis vs. Wolke | 20.3., 07:17 Uhr – Solarprognose II | 20.3., 09:20 Uhr – Sonnenfinsternis | 20.3., 10:48 Uhr – Die zweite Rampe | 23.3., 17:56 Uhr – Nachlese
Eine der entscheidensten Fragen zur Auswirkung der Sonnenfinsternis auf das Stromsystem lautet: Wie sehr wird die Sonnenfinsternis die Stromproduktion aus Solaranlagen beeinträchtigen? Daher sind die Solarprognosen für den Zeitraum der Sonnenfinsternis enorm wichtig. Hier der Verlauf unserer Solarprognosen bis heute morgen:
Wie ersichtlich wird, gehen wir heute von einer stärkeren Solarstromeinspeisung für die Zeit der Sonnenfinsternis aus als noch vor einer Woche. Wir halten euch auf dem Laufenden und posten ab morgen Aktualisierungen der Prognose.
Weitere Gründe für die erwarteten Auswirkungen der Sonnenfinsternis auf das Stromsystem fasst Helen gleich für euch zusammen.
Was ist eigentlich so besonders an dieser Sonnenfinsternis? Warum machen sich Experten gerade diesmal solche Sorgen um ihre Auswirkungen auf das Stromnetz? Antworten liefert ein Vergleich zur letzten partiellen Sonnenfinsternis am 4. Januar 2011, also vor gut vier Jahren. Ihr Verlauf war der morgigen sehr ähnlich mit einem durchschnittlichen Bedeckungsgrad von ca. 70% in Deutschland. Ihre Auswirkungen auf das Stromnetz waren weitaus geringer, weil
Jeden Tag setzen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Regelenergie ein, um die oben beschriebenen Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Die ÜNB schreiben über eine Internetplattform öffentlich Regelenergie aus, die von dazu berechtigen Strommarktakteuren bereitgestellt und im Bedarfsfall abgerufen wird. Wenn mehr Strom im Netz ist als gebraucht wird, werden Kraftwerke runtergeregelt bzw. der Stromverbrauch durch Großabnehmer wie Aluminiumwerke erhöht - das wäre ein Fall von negativer Regelenergie. Wenn zu wenig Strom im Netz ist, werden Kraftwerke hochgefahren oder der Stromverbrauch gesenkt (positive Regelenergie). Wie dieses System im Detail funktioniert, könnt ihr in unserem Wissensbereich nachlesen.
Was ist jetzt das Besondere bei der Sonnenfinsternis morgen? An einem normalen Tag schreiben die ÜNB ca. 4,2 GW an positiver Minuten- und Sekundäreserveleistung (MRL und SRL) aus und ca. 4,55 GW an negativer MRL und SRL. Wegen der anstehenden Sonnenfinsternis hat es nun für den Zeitraum der Sofi eine Sonderausschreibung gegeben. Dabei sind zusätzlich 2,75 GW negative MRL und SRL und zusätzlich 3,8 GW positive MRL und SRL auktioniert worden, also steht in beide Richtungen insgesamt weit mehr als 150 % der gewöhnlichen Regelenergie bereit.
Auch Next Kraftwerke ist für morgen am Regelenergiemarkt bezuschlagt worden: Wir stellen mit unserem Virtuellen Kraftwerk für den Fall der Fälle innerhalb von Sekunden insgesamt positive und negative MRL und SRL im dreistelligen Megawattbereich aus Erneuerbaren Energien bereit.
Das eigentlich Interessante an der Sonnenfinsternis ist die Geschwindigkeit, mit der die Solaranlagen morgen ihr Leistung reduzieren und dann wieder erhöhen werden, d.h. die Leistungsgradienten. Die Rampen, die entstehen, wenn morgen zwischen 9:45 und 10:45 Uhr voraussichtlich 9 GW an PV-Leistung wegfallen bzw. zwischen 11 und 13 Uhr 16 GW hinzukommen, werden deutlich steiler sein als der gewöhnliche Anstieg und Abfall der Solarstromproduktion über den Tag. Nach aktuellen Prognosen rechnet die Kooperation der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) mit einem Abfall der Solarleistung von max. 400 MW pro Minute und einem Anstieg von bis zu 700 MW/min. Diese Leistungsgradienten sollen durch die gesonderte Regelenergieausschreibung abgefangen werden, denn dank ihr stehen zu jeder Zeit während der Sonnenfinsternis 8 GW positive Regelenergie und 7,3 GW negative Regelenergie zur Verfügung, um das Netz zu entlasten.
Darüber hinaus gibt es allerdings einen zusätzlichen Mechanismus, der den Abrufen von Regelenergie vorbeugt. Und das ist der Markt, d.h. die Strombörse.
In der Day-Ahead-Auktion an der Spotbörse der EEX verkaufen Marktteilnehmer bis 12 Uhr mittags am Vortag der Lieferung des Stroms ihre Stromerzeugungskapazitäten für die Stunden des Folgetags. Die Versorger, die den Strom an ihre Endkunden weitergeben, können dort den Strom einkaufen, den sie benötigen. Was das genau in der Praxis bedeutet, haben wir unseren Stromhändler David gefragt:
Was hast du denn heute Mittag verkauft?
Wir haben heute den Strom verkauft, den die Teilnehmer in unserem virtuellen Kraftwerk morgen produzieren werden. Dadurch findet sich Angebot und Nachfrage bereits im Vorhinein. Das gibt allen Beteiligten Planungssicherheit. Natürlich werden die großen Strommengen bereits noch viel weiter im Vorhinein verkauft und gekauft, vor allem im Terminhandel. Die Feinjustierung der einzelnen Bilanzkreise – sozusagen der Stromkonten der Marktteilnehmer – geht aber erst im Day-Ahead-Handel los.
Was war heute um 12 Uhr anders als einem „normalen“ Tag?
Wir haben natürlich die Solarprognosen für morgen an die Sonnenfinsternis angepasst und somit den Strom aus den Solaranlagen in unserem virtuellen Kraftwerk unter Berücksichtigung der Sonnenfinsternis verkauft. Dadurch weiß der Markt heute schon genauer, wieviel Strom morgen aus unserem Portfolio und aus den Portfolios anderer Solarstromverkäufer zur Verfügung stehen wird. Wenn dann für einzelne Stunden die Nachfrage nicht gedeckt ist, können weitere Kraftwerke abseits der Regelenergiebreitstellung hochgefahren werden, um die Lücke auszugleichen.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Feinjustierung von Angebot und Nachfrage geht nun in die Viertelstunden hinein. Dazu diente zuerst die Viertelstundenauktion um 15 Uhr, aber natürlich auch der kontinuierliche Viertelstundenhandel seit 16 Uhr. Mit den Viertelstundenprodukten können wir unsere Solarprognosen noch genauer vermarkten und unseren Bilanzkreis viertelstundenscharf glatt stellen. So setzen wir erneut Signale für den gesamten Strommarkt und nehmen Unsicherheit aus dem Markt. Im besten Fall kann man dadurch schon viele Schwankungen ausgleichen, bevor sie von einem Regelenergieeinsatz der Übertragungsnetzbetreiber abgefangen werden müssen.
Was passiert denn, wenn einem Marktteilnehmer in seiner Erzeugungs- oder Verbrauchsprognose ein Fehler unterläuft?
Dann steht sein Stromkonto – sein Bilanzkreis – „schief“, wie man unter Portfoliomanagern sagt. Er muss dann die sogenannte Ausgleichsenergie beziehen, die vereinfacht gesagt den Kosten aller Regelenergieabrufe entspricht (hier eine exakte Erläuterung des Ausgleichsenergiemechanismus und hier ein weiterer Blogbeitrag zum Thema). Denn wenn viele Bilanzkreise in dieselbe Richtung schief stehen (also zum Beispiel unterdeckt sind), kommt es zu Ungleichgewichten im Netz, die dann durch den Einsatz von Regelenergie abgedeckt werden müssen. Je genauer die Prognosen aber sind und je mehr Marktteilnehmer den Intraday-Handel wirklich nutzen, um ihre Bilanzkreise glatt zu stellen, desto besser ist es für das Stromnetz.
Wo wir gerade im Stromhandel sind, stellen wir doch direkt mal Johannes, der die Abteilung leitet, noch zwei letzte Fragen für heute…
Johannes, viele Leute fragen sich ja, warum bei der Sonnenfinsternis morgen größere Auswirkungen auf Stromnetze und Strommarkt befürchtet werden als bei einem ganz alltäglichen bewölkten Tag. Kannst du uns helfen?
Der Einfluss einer Wolke auf eine Solaranlage ist ja regional sehr eingegrenzt. Sie mag zwar die Sonnenstrahlen daran hindern, die Solaranlage auf meinem Dach zu erreichen, aber die Solaranlagen im Nachbarort sind eventuell nicht davon betroffen. Geschweige denn die in einer anderen Region Deutschlands. Aus Stromhändlersicht: Die Auswirkung einer Wolke auf eine Einzelanlage kann durchaus ein Einspeiseprofil wie das der Sonnenfinsternis bewirken. Deutschlandweit wird man aber trotzdem an einem bewölkten Tag die übliche Einspeisestruktur sehen, weil unterm Strich Millionen Anlagen zwar weniger Strom einspeisen als bei vollem Sonnenschein, in der Summe bildet sich aber wieder die übliche Einspeiseglocke. Insofern ist die Sonnenfinsternis ein ganz anderes Kaliber, da wir morgen eben nicht die übliche Einspeiseglocke sehen werden. Und natürlich ist eine Sonnenfinsternis, auch wenn sie nur partiell ist, insofern etwas anderes als ein bewölkter Tag, als dass es geringere Erfahrungswerte für sie gibt als für einen bewölkten Tag.
Es wird ja viel über die Rampen bei der Solarstromproduktion im Zeitraum der Sonnenfinsternis geredet. Hat die Solarstromproduktion nicht jeden Tag Rampen?
Grundsätzlich verursacht jeder Tag zwei Rampen bei der Solarstromproduktion, eine nach Sonnenaufgang und eine bei Sonnenuntergang. Jedes Kraftwerk, egal ob konventionell oder erneuerbar, hat übrigens Rampen, der Stromverbrauch natürlich auch. Das Besondere morgen wird sein, dass die Rampen sehr steil sein werden, sehr vereinfacht gesagt: Die Sonne geht morgen zuerst innerhalb weniger Viertelstunden unter und dann innerhalb weniger Viertelstunden wieder auf. Dazu kommt, dass die zweite Sonnenfinsternisrampe morgen in die Zeit der nahezu stärksten Sonneneinstrahlung zur Mittagszeit fällt. Dies macht die Rampe natürlich noch einmal steiler.
Was Johannes mit dem Unterschied zwischen der Einspeisung aus einer einzelnen Solaranlage und der gesamtdeutschen Einspeisung aus allen Solaranlagen meint, kann man auch in dieser Grafik eines durchschnittlichen Tages sehen:
Die Sonne ist auch heute aufgegangen, man konnte sich da zwischenzeitlich ja gar nicht mehr so sicher sein. Was wir im Moment aus unserer Zentrale sehen:
Doch auch wenn es bei uns in Köln gerade nicht so aussieht, soll es im Süden ein durchaus sonniger Tag werden. Die Solarprognosen halten sich inzwischen recht konstant bei über 20 GW zum Peak in der Mittagszeit.
Bei uns in Köln wird die Sonnenfinsternis um 09:29 Uhr beginnen, um 10:37 Uhr in voller Pracht zu sehen sein (na ja, mal sehen) und um 11:48 Uhr wieder vorbei sein. Wer sich bis dahin noch ein wenig die Zeit vertreiben möchte, kann in unserer Simulation selbst ausprobieren, wie ein virtuelles Kraftwerk dabei hilft Netzschwankungen auszugleichen, natürlich auch am heutigen Tag:
Und wo wir gerade bei der Netzfrequenz sind: Die Netzfrequenz ist für alle, die sich heute (und an jedem Tag) Sorgen um die Stromversorgung machen, auf den ersten Blick ein guter Indikator. Sie zeigt schließlich sehr vereinfacht gesagt, wie viel Strom in den Netzen ist. Die Normfrequenz liegt bei 50 Hertz, steigt sie über diesen Wert, ist "zu viel Strom" im Netz, sinkt sie unter 50 Hertz, ist "zu wenig Strom" im Netz. Auf dieser Seite könnt ihr die Netzfrequenz live beobachten. Auf den zweiten Blick ist die Netzfrequenz allerdings schon nicht mehr so aussagekräftig. Denn in ihr sind ja bereits Regelenergieabrufe enthalten, also netzstützende Maßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber, deren Job es ist, die Netzfrequenz stabil zu halten.
Kollege Nils weilt momentan in Hamburg, war aber so nett, uns ein Foto von dort zu schicken. Sonniger als in Köln. Und wir können nun definitiv festhalten: Auch heute ist die Sonne aufgegangen...
Und Kollege Florian schickt ein Foto aus Bayern, das zweifelsfrei belegt: Im Süden scheint sie, die liebe Sonne:
Weil wir gefragt wurden: Die Solareinspeisung aller deutschen Solaranlagen kann man wunderbar bei den Kollegen von SMA Solar sehen
Gleich geht's los. Schauen wir uns nochmal genauer die Rampen an, die zu erwarten sind. Kollegin Helen erklärt:
Heute ist mit zwei außergewöhnlich großen Rampen zu rechnen: Einer Rampe zwischen 9:45 und 10:45 Uhr, wenn der Mond sich vor die Sonne schiebt und damit 9 GW weniger Solarstrom eingespeist werden als an einem Tag ohne SoFi. Und dann einer noch größeren Rampe zwischen 11 und 13 Uhr, wenn der Mond wieder vor der Sonne hervorkommt und 16 GW an zusätzlichem Strom produziert werden. Der Vorgang läuft allerdings nicht vollkommen gleichmäßig ab, sodass in der Spitze bis zu 400 MW in einer Minute wegfallen und bis zu 700 MW in einer Minute hinzukommen können. Das kann man sich in etwa so veranschaulichen, als würde alle 2,5 Minuten ein Kohlekraftwerk vom Netz gehen und später dann alle 1,5 Minuten eins ans Netz gehen. Oder es wäre so, als würden vormittags jede Minute rund 400.000 Backöfen angeschaltet und mittags dann jede Minute 700.000 Backöfen ausgeschaltet.
Bei diesen Größenordnungen in so kurzer Zeit müssen also enorme Mengen an Regelenergie bereitgehalten werden, die innerhalb von Sekunden dem Netz zu- oder abgeführt werden können.
Kollegin Liana mit einem Update vom Intraday-Handel: Der Markt war den Morgen über sehr aktiv, es ist aber bisher genügend Liquidität vorhanden, um alle Kaufgebote zu befriedigen.
Und Kollege Jan ergänzt: Betrachtet man die Regelzonen und die Netzfrequenz, sieht man, dass die ÜNB die Netze in der Viertelstunde vor Beginn der Sonnenfinsternis vorsorglich "gefüllt" haben.
Die Lage in den Netzen und an den Strommärkten ist stabil. Bisher haben die ÜNB negative Regelenergie abgerufen. Dass die Sonnenfinsternis eingetreten ist, kann man natürlich einfach am Himmel beobachten, wenn man nicht gerade im diesigen Köln sitzen würde. Wir müssen uns daher mit der Live-Einspeisung einer unserer Solaranlagen begnügen:
Johannes hat ja gestern bereits erklärt, dass ein großer Unterschied zwischen dem heutigen Tag und einem normalbewölkten Tag darin liegt, dass eine Wolkendecke fast nie flächendeckend über ganz Deutschland hängt. Heute sieht man es ja ganz gut: Bis jetzt ist der Himmel über Köln noch vollkommen verhangen, während in Hamburg und in weiten Teilen Deutschlands die Sonne vom Himmel strahlt. So ergibt sich also auch an wolkigen Tagen meist die bekannte Glockenform der Einspeisemengen von Solarstrom: Ein stetiger Anstieg der Leistung von Sonnenaufgang bis zum Mittag und dann ein stetiger Abfall bis Sonnenuntergang.
Ein weiterer Grund für dieses Phänomen ist, dass moderne PV-Zellen auch diffuses Licht in Strom umwandeln können. Diffuses Licht entsteht, wenn die Sonne nicht direkt auf die Solarmodule scheint, sondern die Strahlung durch Wolken oder Partikel in der Luft gestreut wird und dann indirekt auf die Module trifft. In Deutschland liegt der Anteil diffuser Strahlung an der Gesamtstrahlung im Durchschnitt immerhin bei gut 60%. An einem wolkenreichen Sommertag kann der Anteil diffuser Strahlung bei über 92% liegen.
Im Fall der Sonnenfinsternis kommt ebenfalls noch diffuse Strahlung bei uns an der Erdoberfläche an, zumal der Mond die Sonne von Deutschland aus gesehen nur maximal zu 80% bedeckt. Kurzzeitig kommt bei der Sonnenfinsternis in Deutschland also nur noch etwa 20% der Lichtmenge eines wolkenlosen Tages an und davon besteht der Großteil aus diffuser Strahlung. Darum wird die Solarstromproduktion heute kurzzeitig so enorm zurückgehen – stärker und punktueller als an einem normalen wolkenlosen Tag.
Und endlich sehen auch wir in Köln die Sonnenfinsternis! Wenn auch nur auf einem Foto unseres Kollegen Lars aus dem Norden. Danke, Hamburg!
Wie sieht es eigentlich in unserem Virtuellen Kraftwerk heute aus? Bisher alles recht alltäglich, muss man sagen. Überall in Deutschland stehen flexible Anlagen bereit, um im Notfall einzuspringen:
Kleines Update von Liana: Regelenergieabrufe haben zugenommen, die Sonnenfinsternis hat alle Regelzonen erreicht. Vor allem positive Sekundärreserve ist momentan gefragt. Wie geplant wird auch Strom aus den Nachbarländern importiert. Aber interessanterweise wird zugleich auch negative Minutenreserve abgerufen.
Lars aus Hamburg schickt uns ein weiteres Foto:
Liana: Die erste Rampe der Sonnenfinsternis ist ohne Netzproblematiken gut überstanden. Jetzt wird die Einspeisung aus Solar wieder zunehmen und wir gehen die zweite, steilere Rampe an.
Kleiner Einschub: Wir hatten ja bereits die Studie der Hochschule Technik und Wirtschaft Berlin erwähnt, die letztes Jahr die Auswirkungen der Sonnenfinsternis auf die Solarstromproduktion in zwei Szenarien (wolkenloser vs. bedeckter Himmel) kalkuliert hatte. Die beiden Szenarien sahen im Ergebnis so aus:
Doch welches Szenario ist nun tatsächlich eingetreten? Bzw. welchem Szenario kommt die Realität am heutigen Tag näher? Unsere aktuellsten Prognosen decken sich sehr gut mit den tatsächlichen Einspeisewerten, die wir uns bei SMA live anschauen können, daher können wir sagen: Wir sind wesentlich näher am „Wolkenlos“-Szenario und somit an dem Szenario, das große Belastungen für die Stromnetze vorhergesagt hatte. Wir behalten die Lage im Auge und berichten, wie unsere Prognose weiterhin abschneidet.
Und wir schauen nochmal auf die Einspeisung einer unserer Einzelanlagen. Die zweite Rampe beginnt:
Abrufe von negativer Regelenergie nehmen zu, allerdings nicht in bedenklichem Umfang.
Jetzt ist es wohl an der Zeit, Diogenes von Sinope zu zitieren, der in ferner Vergangenheit zu Alexander dem Großen sagte: "Geh mir ein wenig aus der Sonne!"
Und was passiert in unserem Virtuellen Kraftwerk gerade? Das Leitsystem hat bisher einzelne Anlagen zur Netzstabilisierung geschaltet, weitere Anlagen insbesondere der Bioenergie sind präventiv gemäß der Gesamtprognose hoch- und heruntergefahren, um das Stromsystem handelsseitig zu stützen. Ansonsten alles im normalen Tagesgeschäft: Unsere informative Kollegin Liana handelt gerade den Day-Ahead für morgen. Kollege Jonas spricht mit Anlagenbetreibern die Farhpläne für die kommenden Tage ab. Und wir bloggen einfach mal weiter.
Die zweite Rampe der Sonnenfinsternis verläuft bisher auch stabil. Keine größeren Probleme im Netz zu erkennen. Zeit um durchzuschnaufen und sich die Abrufe von Regelenergie während der ersten Rampe anzuschauen:
Johannes, was sagst du dazu?
Wir haben gesehen, dass im Verlauf der ersten Rampe in der Spitze von 10:15 Uhr bis 10:30 Uhr rund 1.600 Megawatt an Regelenergie abgerufen wurden, bereit standen aber rund 15.000 Megawatt. Im Netz sind also weitaus weniger Probleme angekommen als befürchtet.
Auch nach dem Ende der zweiten Rampe können wir das auch für den weiteren Verlauf der Sonnenfinsternis vorläufig bestätigen. Wir aggregieren noch kurz die Daten zur zweiten Rampe und sind gleich wieder zurück.
Und hier sind sie schon:
Die zweite Rampe ist somit mit noch weniger Abrufen von Regelenergie ausgekommen als die erste Rampe. Der Spitzenabruf von 1.600 Megawatt in einer Viertelstunde ist auch in der zweiten Rampe nicht übertroffen worden.
So, endlich mal mit den Kollegen in der dritten Etage im Leitsystem gesprochen. Was sagt ihr? "Für uns war das ein Tag wie jeder andere...".
Wir verabschieden uns vorerst und machen am Montag dann in Ruhe eine Nachlese alles dessen, was heute passiert ist. Vielen Dank fürs Dabeisein!
Mehr zum Nachlesen
Rückblickend auf den vergangenen Freitag wollen wir jetzt resümieren, wie die Sonnenfinsternis 2015 sich auf den Strommarkt und auf den Betrieb unseres Virtuellen Kraftwerks ausgewirkt hat. Dazu fragen wir nochmal den Leiter unserer Handelsabteilung.
Johannes, was sagst du dazu, was am Freitag während der Sonnenfinsternis passiert ist?
Es ist weniger Regelleistung abgerufen worden als von Vielen erwartet wurde. Das ist ein Zeichen dafür, dass sich die Marktteilnehmer schon weit im Vorhinein auf die Einflüsse der Sonnenfinsternis vorbereitet haben. Sie haben aktuelle Solarprognosen gehandelt, sie haben die Fahrweise ihrer Kraftwerke an die Sonnenfinsternis angepasst und es wurde viel gehandelt. Es war also viel Liquidität im Markt. Insbesondere die Übertragungsnetzbetreiber und Prognosedienstleister haben einen guten Job verrichtet.
Es gibt ja auch Berichte, die davon sprechen, dass die Sonderausschreibung abgerufen wurde. Das passt ja irgendwie nicht mit unseren Daten weiter oben überein. Kannst du uns das erklären?
Ja, es wurden auch Mengen aus der Sonderausschreibung abgerufen. Da die Abrufwerte auf regelleistung.net als ¼ h - Durchschnittswerte veröffentlicht werden, sind solche Daten weniger aussagekräftig. Denn sie geben nicht an, ob innerhalb der Viertelstunden mehr Leistung aktiviert wurde. Die Durchschnittswerte können also ganz unauffällig sein, obwohl einzelne Abrufe höher waren als sonst.
Was war in unserem Virtuellen Kraftwerk los? Wie haben wir auf die Sonnenfinsternis reagiert?
Eigentlich nicht viel anders als an jedem anderen Tag auch. Wir haben die Einspeiseprognosen der in unserem Virtuellen Kraftwerk teilnehmenden Anlagen im Day-Ahead und im Intraday gehandelt. Zusätzlich haben wir einige Bioenergieanlagen in der bedarfsorientierten Einspeisung gefahren – natürlich entsprechend der Prognosen und der Preise an den kurzfristigen Märkten. Dadurch haben wir in den Viertelstunden nach Beginn der Sonnenfinsternis mehr Strom eingespeist, am Ende der Sonnenfinsternis aber Leistung zurückgenommen. Und das Gros unserer Anlagen stand mit einem dreistelligen Megawattbereich die ganze Zeit Gewehr bei Fuß, um Regelenergie bereit zu stellen.
Ist unser virtuelles Kraftwerk denn auch für die Regelenergie abgerufen worden?
Ja, auch wir hatten einige Abrufe.
War das alles also viel Lärm um Nichts?
Klar ist so ein Ereignis eine kritische Situation, da es sich von einem „normalen“ Tag unterscheidet. Aufgrund der Vorbereitungszeit und der sehr guten Prognosequalität ist es aber allen gelungen, sich ausreichend vorzubereiten. Problematischer wird es bei Ereignissen, die nur kurzfristig prognostizierbar sind. So etwa 2014, als Saharasand in Deutschland Solarmodule verschmutzte und die Einspeisung unerwartet deutlich verringert wurde. Alles in allem funktioniert der Markt gut. Das hat die Sonnenfinsternis wieder einmal gezeigt.
Auch Co-Geschäftsführer Hendrik ist zufrieden: Die beiden Rampen wurden im Vorfeld als große Herausforderung gesehen. Es hat sich dann aber gezeigt, dass die Netzbetreiber gut vorbereitet waren. Bei uns gab es keine Probleme und ich denke, dass auch die anderen Marktteilnehmer gut mit der Situation zurecht gekommen sind.
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