Wir haben an dieser Stelle schon einige Male über die Auswirkungen der zunehmenden Einspeisung von volatilem Solar- und Windstrom auf die Energiewirtschaft gesprochen. Doch meistens sind wir dann recht schnell beim Thema „Regelenergie“ gelandet, die diese Volatilität netzfrequenzseitig wieder ausgleicht. Inzwischen übernehmen die in virtuellen Kraftwerken vernetzten Erneuerbaren Energien viel Verantwortung auch in diesem Bereich – wahrscheinlich haben wir deswegen so gerne darüber geschrieben…
Doch bevor es zur physischen Ausreglung von Netzschwankungen mit Hilfe der Regelenergie kommt, gibt es vor allem auf Seiten des Stromhandels ein enorm wichtiges Werkzeug, um Ungleichgewichte in den Übertragungsnetzen zu unterbinden – einen aktiven Intraday-Handel, um den eigenen Bilanzkreis glattzustellen. Jetzt mag man sich fragen: Was hat der (bilanzielle) Handel mit den (physischen) Netzen zu tun? Vielleicht hilft ein Vergleich.
Stellen wir uns für einen Moment vor, dass ganz Deutschland jeden Tag ein riesiges Fest feiert und vier Oberkellner für 82 Millionen durstige Menschen verantwortlich sind – und die Gäste ihre Gläser kaum absetzen. Da ist es natürlich wichtig genau zu wissen, welcher Gast wann wie viel trinkt und welche Brauerei welche Mengen an Getränken zu welchem Zeitpunkt anliefern kann. Daher nehmen unsere Oberkellner schon am Vortag des Fests die Getränkebestellungen der Gäste auf und decken sich bei den Brauereien entsprechend ein. Sowohl die Brauereien als auch die Gäste sind dazu verpflichtet, genau die Menge zu liefern bzw. zu trinken, die sie zugesagt haben. Am nächsten Tag kommt aber immer alles anders als gedacht, man kennt das ja von großen Festen. Ein paar Millionen Gäste trinken weniger, als sie bestellt haben, ein paar Millionen mehr, und den Brauereien fehlt mal der Hopfen, mal das Malz, um das zu liefern, was sie verbindlich zugesagt haben. Jeder Lieferengpass einer Brauerei und jede geänderte Bestellung eines Gastes ist für den Oberkellner aber natürlich ein gigantisches, auch physisches Problem. Die Kühlschränke sind schnell leer oder quellen über und die Kellner laufen sich auf den Gängen über den Haufen. Was machen die Oberkellner? Sie gehen natürlich zum Kiosk um die Ecke, um schnell an die fehlenden Getränke zu kommen, doch leider ist dort das Bier teurer als bei der Brauerei. Und sie müssen die Gänge zwischen den Gästen verbreitern, damit die Kellner mehr Platz haben. Und klar ist: Je genauer die Gäste und die Getränkeproduzenten ihre eigenen Bestellungen und Lieferzusagen einhalten, desto geringer ist das Chaos, desto geringer die Notwendigkeit für eilige Kioskbesuche oder verbreiterte Gänge.
Der Alltag in der Energiewirtschaft besteht aus eben dieser Aufgabe, jeden Tag die Stromversorgung (das Fest) für 82 Millionen Bürger (Gäste) zu organisieren. Die Übertragungsnetzbetreiber (die Oberkellner) sind dafür zuständig, den Strom (die Getränke) zu den Abnehmern zu bringen und auf ihren Schultern liegt die Hauptverantwortung für die Organisation der unterbrechungsfreien Stromversorgung (Getränkezufuhr). Wenn die Kraftwerke (die Brauereien) nicht liefern können, was sie den Übertragungsnetzbetreibern (abgekürzt: "ÜNB") am Vortag in ihrer Einspeiseprognose im Fahrplanmanagement versprochen haben und die Stromabnehmer nicht die Last abnehmen, die sie am Vortag in der Entnahmeprognose „bestellt“ haben, hat der ÜNB besagtes gigantisches, auch physisches Problem. Er kann Regelenergie beziehen („zum Kiosk laufen“), mittelfristig die Netze ausbauen („die Gänge erweitern“) oder eben darauf pochen, dass alle Bilanzkreisverantwortliche (quasi eine „Gruppe von Gästen oder Brauereien“) ihre Prognosen des Vortrages einhalten und sie gegebenenfalls dafür bestrafen, wenn sie dies nicht tun, also wiederholt eine Bilanzkreisabweichung vorliegt. Letztere Mahnung hat die Bundesnetzagentur am 16.9.2013 im „Positionspapier zur Wahrnehmung der Pflichten nach § 4 Abs. 2 StromNZV und Ziffer 5.2. des Standardbilanzkreisvertrags durch die Bilanzkreisverantwortlichen“ erneut geäußert und in diesem Papier darauf hingewiesen, dass „es insbesondere in den Stunden mit steilen Last- oder Produktions-Flanken nach wie vor nahezu durchgängig zu erheblichen Systemungleichgewichten [kommt], die auf eine fehlende viertelstündliche Bewirtschaftung dieser Flanken zurückzuführen sind“.
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Hintergrund dieser Mahnung ist die häufige Verletzung der eigenen Prognosepflicht durch Bilanzkreisverantwortliche, die ihre am Vortag an die ÜNB kommunizierten Fahrpläne nicht einhalten, weder auf Produzenten- noch auf Abnehmerseite. Zusätzlich wird angemahnt, dass die Bilanzkreisverantwortlichen nicht selbst Abhilfe schafften – wozu sie laut §4, Absatz 2 der Stromnetzzugangsverordnung und laut des Standardbilanzkreisvertrags ebenfalls verpflichtet sind. Festlich gesprochen: Ein Gast, der seine am Vortag bestellten Getränke nicht verzehrt, muss sich selbst einen anderen Gast suchen, der ihm das Getränk abnimmt. Und eine Brauerei, die nicht liefern kann, was sie versprochen hat, muss selbst für Lieferersatz sorgen. Energiewirtschaftlich gesprochen: Jeder Bilanzkreisverantwortliche muss über einen aktiven Intraday-Handel, eine kurzfristige Lastverschiebung oder eine kurzfristige Anpassung des eigenen Kraftwerkseinsatzes dafür sorgen, dass der eigene Bilanzkreis ausgeglichen ist.
Wohlgemerkt zielt diese Mahnung auf alle Bilanzkreisverantwortlichen, nicht nur auf jene, die einen Marktprämienbilanzkreis (MPM) nicht viertelstundenscharf bewirtschaften. Denn die Ursachen für Prognosepflichtverletzungen liegen nicht allein bei den fluktuierenden Erneuerbaren Energien, wie gerne insinuiert wird, sondern bei allen Marktteilnehmern, die ihr Portfolio nicht viertelstundengenau über einen Intraday-Handel an der EPEX SPOT optimieren. Die Lösung: Aufbau eines eigenen Intraday-Handels oder Beauftragung eines externen Dienstleisters wie etwa Next Kraftwerke zur viertelstundengenauen Bewirtschaftung des eigenen Bilanzkreises. Dadurch erfüllen die Bilanzkreisverantwortlichen ihre Pflichten und sparen – ein ganz wichtiger Punkt – Geld, da sie nicht mehr für die Regelenergieumlage („Ausgleichsenergie“), also den kurzfristigen Gang zum Kiosk, zahlen müssen. Das Resultat: Das Fest wird nicht so teuer. Und rauschend, jeden Tag.
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