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Lesedauer: 5 min.
von Jochen Schwill / 29 Januar 2014
Dieser Blogbeitrag thematisiert die Vor- und Nachteile von Power-to-Heat-Anlagen, die Regelenergie bereitstellen.

Power-to-Heat (PtH) und Regelenergie – Was sind Vor- und Nachteile?

Ist Power-to-Heat, also die Umwandlung von Strom in Wärme, die Zukunft des Regelenergiemarkts? Diesen Eindruck konnte man in den letzten Monaten durchaus gewinnen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorteile
  2. Nachteile

Zuletzt sprachen uns viele Bestandskunden unseres virtuellen Kraftwerks sowie potentielle Interessenten an, um sich über die Vermarktung von Regelenergie über Power-To-Heat (PtH) zu informieren. Eins vorneweg: Als Betreiber eines virtuellen Kraftwerks sind wir natürlich bereit, Power-to-Heat-Anlagen in unseren Next Pool zu integrieren und am Regelenergiemarkt und in Sonderfällen auch zur Ausgleichsenergiereduktion an der Spotbörse zu nutzen. Schließlich sind PtH-Anlagen - je nach technischer Ausführung Elektrokessel, Regelheizung oder Tauchsieder, allgemein auch PtH-Module genannt - ideal für die Vernetzung in virtuellen Kraftwerken: Sie besitzen in den meisten Fällen allein nicht die erforderliche Mindestgröße von 5 MW und somit keinen eigenen Zugang zum Regelenergiemarkt, sie verteilen sich dezentral über ganz Deutschland und ihre Stromabnahme ist sehr gut regelbar. Zwar sprechen wir grundsätzlich keine Investitionsempfehlungen für Dritte aus, möchten an dieser Stelle jedoch zumindest die Vor- und Nachteile der PtH-Technologie in Bezug auf den Regelenergiemarkt erläutern:

Vorteile

  • PtH-Module erfüllen grundsätzlich die technischen Voraussetzungen sowohl für den Minutenreservemarkt als auch für den Sekundärreservemarkt.
  • PtH-Module sind oft stufenlos regelbar und für häufiges Abregeln ausgelegt, sodass die Abschaltdauer kein einschränkendes Kriterium ist, vorausgesetzt eine kontinuierliche Wärmeabnahme ist gesichert.
  • Besonders im Zusammenspiel mit Biogasanlagen, Biomethan-BHKWs, Biomasseheizkraftwerken und anderen KWK-Anlagen besitzen PtH-Module den Vorteil, dass der Anschluss an eine Wärmenutzung oft gegeben ist und durch die Regelung des PtH-Moduls der kontinuierliche Betrieb des BHKWs bei einem Regelenergieabruf erhalten bleibt. Der im BHKW produzierte Strom wird über das zwischengeschaltete PtH-Modul in Wärme umgewandelt. Somit wird das BHKW nicht geregelt, es steht aber die volle Leistung des BHKWs für den Regelenergiemarkt zur Verfügung.
  • Ein evtl. vorhandenes BHKW und ein PtH-Modul können auch "im Tandem" betrieben werden, wodurch die anzubietende Regelenergiekapazität sowie die Wärmeerzeugung steigen.
  • Die Wärmeversorgung wird im Fall eines längeren Regelenergieabrufs, besonders im Segment Minutenreserve, durch das PtH-Modul vollständig und ohne Unterbrechung gewährleistet. Zumeist wird sogar mehr Wärme produziert als im Normalbetrieb des BHKWs, da die komplette elektrische Leistung des BHKWs für die Wärmeerzeugung genutzt wird und nicht mehr nur die ohnehin vorhandene thermische Leistung des BHKWs.
  • Zur Integration in virtuelle Kraftwerke kann in vielen Fällen der bereits vorhandene Zugriff auf die Anlagensteuerung, beispielsweise einer Biogasanlage, auch für das PtH-Modul genutzt werden. Neue Schnittstellen zwischen virtuellem Kraftwerk und Anlagensteuerung sind somit nicht notwendig.
  • Das PtH-Modul kann auch unabhängig von bzw. zusätzlich zu einem BHKW als eigene technische Einheit mit Strombezug aus dem öffentlichen Netz ins virtuelle Kraftwerk integriert werden.
  • Durch die verstärkte Installation von PtH-Modulen wird auch abseits des Regelenergiemarkts die Möglichkeit geschaffen, überschüssigen Strom kurzfristig sinnvoll zu nutzen. Dies kann zum Beispiel im Fall der Abregelung einer Windkraftanlage durch den Netzbetreiber im Einspeisemanagement sehr sinnvoll sein. Momentan werden in einem solchen Fall die Rotorblätter der Windkraftanlage "aus dem Wind" gedreht und die vorhandene Primärenergiequelle - der Wind - bleibt ungenutzt. Bei Einsatz eines PtH-Moduls würde die Windkraftanlage weiter Strom produzieren, dieser jedoch nicht ins öffentliche Netz gespeist werden sondern im PtH-Modul zur Wärmeerzeugung genutzt. Aber auch als sogenanntes "flexibles Asset" eines Stromhändlers sind PtH-Module geeignet, zum Beispiel um Ausgleichsenergiemengen zu senken.

Nachteile

  • Im Gegensatz zu einer Integration von bestehenden BHKWs in ein virtuelles Kraftwerk muss in die Anschaffung des PtH-Moduls investiert werden. Die Preise für eine Power-to-Heat-Anlage variieren natürlich je nach Hersteller und Größe der Anlage. Als äußerst grobe Faustregel gelten momentan 100 Euro zzgl. Mehrwertsteuer pro kW.
  • Diese Investition kann nur über die Märkte für negative Regelenergie (Minutenreserve, Sekundärreserve) wieder eingespielt werden. Hier ist zu beachten, dass die Preise auf dem Regelenergiemarkt volatil und schwer zu prognostizieren sind. Momentan ist bereits ein Absinken der durchschnittlichen Leistungspreise auf dem Markt für negative Sekundärreserve (SRL) zu beobachten, bedingt durch die verstärkte Teilnahme von neuen Akteuren und bedingt durch die Bedeutung, die der Regelenergiemarkt für größere Gaskraftwerke besitzt, die auf der regulären Strombörse "aus dem Geld laufen".
  • Betreiber von Power-to-Heat-Modulen, die nur mit Netzstrom arbeiten, also unabhängig von einer Eigenstromproduktion über ein BHKW o.ä., müssen die vollen Stromkosten inklusive aller Umlagen in ihre Kalkulation aufnehmen.
  • Im Fall der Zuschaltung des PtH-Moduls zu einem BHKW wird der Primärenergieträger (Biogas, Biomethan, Erdgas) nicht gespeichert wie bei einer herkömmlichen Regelung des BHKWs selbst. Vielmehr wird der durchaus wertvolle Primärenergieträger mit Effizienzverlusten in Wärme umgewandelt und steht anschließend nicht für eine Nachverstromung zur Verfügung.
  • Viele Biogasanlagenbetreiber erhalten einen KWK-Bonus. Dabei ist die Wärmemenge wichtig, die in der KWK-Einheit - dem BHKW der Anlage - erzeugt wird. Installiert ein Betreiber ein PtH-Modul und wandelt zeitweise Strom aus dem Biogas-BHKW in Wärme, kann die solcherart zusätzlich produzierte Wärme nicht zur Inanspruchnahme des KWK-Bonus zugrunde gelegt werden. Je nach den Gegebenheiten vor Ort kann es aber vorkommen, dass die Wärmemengen nicht getrennt gemessen werden. Die Bilanzierung des KWK-Bonus wird somit aufwändiger und es entstehen potentielle Fehlerquellen.
  • Vor Inbetriebnahme des PtH-Moduls muss ein Umweltgutachter die sinnvolle Verwendung der Wärme bescheinigen. Bei Anlagen, deren Standort über zusätzliche Wärmeabnahmekapazitäten verfügt, etwa bei bestehender Anbindung an das Fernwärmenetz, ist dieser Punkt oft unkritisch. Bei Anlagen ohne Wärmenutzung oder ohne zusätzliche Wärmeabnahmekapazitäten muss das Wärmekonzept erneuert werden, da die zusätzlich produzierte Wärme natürlich nicht verschwendet werden darf. Dies verbietet die Vernunft sowie das Energiewirtschaftsgesetz[1]... Schließlich soll Power-to-Heat nicht zu Power-to-Waste werden...
  • Wenn das PtH-Modul in Verbindung mit einem BHKW betrieben wird, bedeutet ein Ausfall des BHKWs ebenfalls den Ausfall des PtH-Moduls, da letzteres den Strom zur Wärmeproduktion schließlich aus dem BHKW bezieht. Natürlich könnte in einer solchen Konstellation der Strom aus dem Netz bezogen werden, sobald ein Regelenergieabruf startet, jedoch ist hier ebenfalls zu bedenken, dass dieser fremdbezogene Strom voll umlagepflichtig ist (EEG-Umlage, Netznutzungsgebühren, Stromsteuer etc.). Dies schränkt naturgemäß die Wirtschaftlichkeit des PtH-Moduls stark ein.

Wie hoffentlich ersichtlich wird, ist die Nutzung von Power-to-Heat-Anlagen für den Regelenergiemarkt über virtuelle Kraftwerke nicht nur technisch machbar, sondern in vielen Fällen auch sinnvoll. Allerdings gilt es, die genannten Einschränkungen individuell zu analysieren, da die bestehenden Anlagenkonfigurationen sehr unterschiedlich sein können und die Präqualifikation einer PtH-Anlage bei den Übertragungsnetzbetreibern durchaus von der Sinnhaftigkeit etwa der Wärmenutzung abhängig ist. Viele hier nur angeschnittene Themen, etwa die saisonale Betrachtung der Wärmenutzung und die Auswirkung eines PtH-Moduls auf diese, sind in der realen Konstellation vor Ort komplex. Ein Stadtwerk mit einer Vielzahl an Stromerzeugungseinheiten und einem umfänglichen Wärmekonzept ist anders zu betrachten als ein abgeschiedener Bioenergiebetrieb, der über keine zusätzliche Stromproduktions- und Wärmeabnahmekapazitäten verfügt.

 

[1] In §1 Abs. 1 ENWG heißt es: "Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht." Dabei bedeutet "Umweltverträglichkeit" gemäß §3 Nr. 33 ENWG, "dass die Energieversorgung den Erfordernissen eines nachhaltigen, insbesondere rationellen und sparsamen Umgangs mit Energie genügt, eine schonende und dauerhafte Nutzung von Ressourcen gewährleistet ist und die Umwelt möglichst wenig belastet wird, der Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbaren Energien kommt dabei besondere Bedeutung zu."

 

Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.

Jochen Schwill is one of the founders of Next Kraftwerke.

Jochen Schwill

CEO Next Kraftwerke