Häufig gelten wärmegeführte Anlagen aufgrund der inhärenten Wärmerestriktionen für eine flexible Vermarktung als ungeeignet. Zu Unrecht, wie wir meinen. Fakt ist, dass sich Wärme und Strom bei KWK-Anlagen, die häufig mit einem Biomethan-BHKW arbeiten, nur schwer voneinander trennen lassen.
Während die meisten mit Biomethan und Erdgas betriebenen KWK-Anlagen wärmegeführt bewirtschaftet werden, arbeitet etwa der Großteil der Biogasanlagen stromgeführt. Im Unterschied zu wärmegeführten Anlagen ist im stromgeführten Betrieb Wärme schlicht ein Nebenprodukt der Stromerzeugung; die Fahrweise der Anlage richtet sich zu einem großen Prozentsatz nach den zu erzielenden Preisen am Strommarkt. Bei wärmegeführten Anlagen verhindern in der allgemeinen Wahrnehmung sogenannte Wärmerestriktionen etwa in Form von Wärmelieferungsverpflichtungen diese Fahrweise. Es stellt sich die Frage, ob das in dieser Eindeutigkeit überhaupt der Fall sein muss. Denn wenn es darum geht, Entwicklungschancen und neue Vermarktungsmöglichkeiten im Rahmen der Energiewende zu finden, verstellt diese Sichtweise den Blick auf vielversprechende Potentiale. Und so unverrückbar, wie man vielleicht meint, sind die sogenannten Wärmerestriktionen letzten Endes nicht.
Eine Stellschraube, an der heute bereits problemlos gedreht werden kann, ist die genaue Lastprognose für die Wärmeproduktion. Hier ist momentan noch Luft nach oben vorhanden. Präzisere Anlagenfahrpläne, die sowohl die Strom- als auch die Wärmeproduktion berücksichtigen, würden die Planbarkeit einer Anlage entscheidend verbessern, um sie zielgenauer in der flexiblen Vermarktung einzusetzen. Da so Vermarktungspotentiale besser sichtbar werden, sind potentiell höhere Gewinne möglich. Darüber hinaus ergeben sich mit einem auf Flexibilität ausgelegten Wärmespeicher weitere ertragreiche Vermarktungsoptionen.
Oft hört man, dass sich wärmegeführte Anlagen per se nicht für eine viertelstundengenaue, flexible Vermarktung eignen würden. Jedoch lassen sich für viele Anlagen Möglichkeiten schaffen, mit der man die Flexibilität und somit die Marktfähigkeit signifikant erhöhen kann. Wärmegeführte Anlagen arbeiten häufig mit internen Schwellenwerten, um die Wärmeproduktion zu steuern: Überschreitet die Wärmeenergie etwa den oberen Temperaturschwellenwert, wird die Anlage heruntergefahren; unterschreitet sie eine bestimmte Marke, fährt sie wieder hoch. Denkbar ist jedoch auch eine Fahrweise, die nicht zwischen den beiden Extremen schwankt, sondern es auch erlaubt, im Zwischenbereich flexibel zu fahren. Dies erweitert den Spielraum für die Vorhaltung von vermarktbarer Flexibilität etwa in der Regelenergie oder der bedarfsorientieren Einspeisung ungemein. Im gleichen Zuge erhöhen sich durch die zusätzliche Stromvermarktung die möglichen Mehrerlöse. Der technische Aufwand für die Umrüstung ist häufig gar nicht so groß, wie man gemeinhin annehmen könnte.
Jahreszeitenabhängige Produktionsschwankungen von wärmegeführten Anlagen werden oft als Einschränkung ins Feld geführt. Das ist insofern nachvollziehbar, als dass sich bei einer wärmegeführten Anlage nicht alle Jahreszeiten in gleichem Maße für die flexible Vermarktung eignen. So ist der Winter klassischerweise die Zeit, in der eine wärmegeführte Anlage stark in Wärmelieferungsverpflichtungen eingebunden ist. Aufgrund der hohen Laufleistung eignet sich eine solche Anlage zwar gut für eine Vermarktung in der Regelenergie. Jedoch muss hier darauf geachtet werden, inwieweit Wärmelieferungsverpflichtungen der Anlage Abrufe von negativer Regelenergie – also ein Drosselung der Fahrweise – erlauben. Eine pauschale Aussage lässt sich in diesem Fall nicht treffen. Vielmehr muss individuell geschaut werden, wie sich die entsprechende Anlage vermarkten lässt.
Im Sommer fahren wärmegeführte Anlagen häufig mit sehr geringer Last oder sind sogar ganz ausgeschaltet. Hier ist es in den meisten Fällen schlicht unmöglich, negative Regelenergie bereitzustellen. Was sich hingegen zu dieser Zeit realisieren lässt, ist die Bereitstellung positiver Regelenergie – ähnlich wie es Notstromaggregate etwa auch heute schon erfolgreich leisten. Hier muss jedoch geschaut werden, ob die Anlage die technischen Möglichkeiten mitbringt, so schnell anzufahren, wie es vom Übertragungsnetzbetreiber für die positive Regelenergie verlangt wird. Darüber hinaus muss individuell entschieden werden, ob die anfallende Wärme überhaupt genutzt werden kann. Im Idealfall lässt sich diese Wärme etwa zur Produktion von Warmwasser nutzen; unter anderen Voraussetzungen müssen entsprechende Wärmeabnahmen geschaffen werden. Jedoch kann es auch sein, dass sich eine flexible Vermarktung nicht umsetzen lässt, da für die Wärme keine Verwendung gefunden werden kann.
In Frühjahr und Herbst haben wärmegeführte Anlagen häufig keine feste Fahrweise. Typischerweise wechseln sich in dieser Zeit Fahrten mit hoher und niedriger Last ab. Hier lassen sich am besten Produktionsfenster und Möglichkeiten finden, in denen man die Anlage flexibel steuert. In diesem Kontext ist es zu vernachlässigen, ob die Anlage zu einer genau festgelegten Zeit ihre Wärmeproduktion anfährt oder ob man diesen Zeitpunkt aus Vermarktungsgründen kurzfristig ein wenig nach vorne oder hinten verschiebt.
Wir sehen, dass eine von Jahreszeiten abhängige flexible Vermarktung nicht grundsätzlich ein Problem ist. Änderungen in der Vermarktung lassen sich mit Wochenfrist festlegen, so dass auch kurzfristige Änderungen möglich werden. Selbst Einschränkungen in der Fahrweise einer Anlage müssen kein Ausschlusskriterium sein. Sollte eine wärmegeführte Anlage kurzfristig nicht die gewünschte Leistung erbringen können, ließe sich mit einer höheren Anzahl an wärmegeführten Anlagen innerhalb eines Pools eines virtuellen Kraftwerks dennoch eine Erbringung der flexiblen Leistung gewährleisten.1
Damit dies alles umsetzbar ist, bedarf es einer intelligenten Steuerung. Das betrifft sowohl die Anlagen selber als auch die Einbindung ins virtuelle Kraftwerk. Hier sind insbesondere die Schnittstellen und Protokolle von Bedeutung, die sowohl für Erstellung von Prognosen und Fahrplänen als auch für die Kommunikation der Anlage innerhalb des Pools verantwortlich sind. Ein entsprechend intelligentes Leitsystem sollte in der Lage sein, die Restriktionen der individuellen Anlagen kurzfristig zu berücksichtigen. Dies bedeutet auch, dass sich nicht ohne weiteres pauschale Aussagen über Wärmerestriktionen und deren Einfluss auf die Vermarktbarkeit einer Anlage treffen lassen. Darüber hinaus ist heute schon vieles machbar; oft fehlt es schlicht am entsprechenden Wissen oder Willen, um die Anlage überhaupt effektiv flexibel zu vermarkten.
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Ein genereller Punkt sollte in dieser Diskussion nicht vergessen werden: Wärme ist eine sehr träge Energieform. Änderungen in der Wärmeregulierung etwa bei einer Heizungsanlage wirken sich weitaus langsamer aus, als man gemeinhin annimmt. Auch nehmen Menschen die Schwankungen üblicherweise gar nicht so schnell wahr. Und oft sind Regelenergieabrufe – insbesondere in der Sekundärreserve – zu kurz, um fühlbar Auswirkungen auf die Wärmeversorgung zu haben. Zudem funktioniert das Wärmenetz, an welches die Anlage idealerweise angebunden ist, aufgrund seiner Größe wie ein Wärmepuffer und fängt so kleinere Schwankungen in der Wärmeproduktion auf und gleicht sie aus.
Wenn es um die flexible Vermarktung von Anlagen etwa in der Regelenergie oder der bedarfsorientierten Einspeisung geht, ist eine wärmegeführte Betriebsweise kein Ausschlusskriterium. Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass Wärmerestriktionen flexible Systeme unmöglich machen. Vielmehr ist es entscheidend, daran zu arbeiten, Systeme weiter so zu flexibilisieren, dass sie Fahrweisen mit genügend Spielraum erlauben. So ließe sich die Flexibilität der Stromproduktion am Markt anbieten, ohne gleichzeitig den eigenen Fahrplan aufgeben zu müssen. Denn eines sollte klar sein: Wenn das Ziel ist, profitablere Anreize für die Energiewende zu schaffen, darf es nicht darum gehen, pauschale Aussagen zu treffen, die bereits festgefahrene Strukturen weiter zementieren. Es gilt daher, Wege zu finden, neue Möglichkeiten der Vermarktung und Chancen zu erschließen. Mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass sich wärmegeführte Anlagen nicht für die flexible Vermarktung eignen, wäre schon ein Anfang.
1 Dies muss nicht eine Erhöhung der Redundanz bedeuten, sondern bezieht sich schlicht auf die Anzahl der vorhandenen wärmegeführten Anlagen im Pool.
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