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Lesedauer: 3 min.
von Tobias Romberg / 20 November 2013
Flexible Fahrweise und die Flexibilitätsprämie mit Biogas

Die Last mit der Grundlast

Das Mammut-Projekt „Energiewende“ ist – gemessen am derzeitigen Anteil der Stromerzeugung von über 22% aus Erneuerbaren Energien – ganz klar eine Erfolgsgeschichte. Jedoch galt es viele Hürden zu nehmen, um diese positive Entwicklung zu realisieren. 

 

Und bis zu einem erfolgreichen Abschluss dieses Projekts ist es noch ein langer, strapaziöser Weg. So ist beispielsweise die Möglichkeit der Produktion von „nachfrageorientierter“ Energie derzeit eines der dringendsten Probleme der Erneuerbaren. Oder kurz gesagt: Es fehlt den Erneuerbaren (derzeit) noch an wichtiger „Flexibilität“, die benötigt wird, um die hohen Einspeiseschwankungen von Wind und Solar zu kompensieren. Doch was heißt „flexibel“? Damit ist die Disposition einer Stromerzeugungsanlage gemeint, kurzfristig eine verminderte oder erhöhte Strommenge zur Verfügung stellen zu können. Dieses dringende Problem ist auch Gegenstand des vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten Forschungsprogramms „OptFlex Biogas“, das wissenschaftlich von dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) und Next Kraftwerke begleitet wird. Doch welcher regenerative Energieträger ist überhaupt in der Lage, solche „Flexibilität“ anbieten zu können?

Das Bereitstellen von kurzfristig „weniger“ Strom stellt grundsätzlich kein Problem dar, denn eine Windkraftanlage kann einfach aus dem „Wind gedreht“ oder eine PV-Anlage abgeschaltet werden. Und was ist mit der geplanten Bereitstellung von „mehr“ Strom? Dies kann durch die Energieträger Biogas (und Biomethan) und Wasserkraft (bspw. Pumpspeicherkraftwerke oder Laufwasserkraftwerke) erfolgen. Ersterer Energieträger, Biogas, ist von besonderem Interesse. Denn dieser Energieträger wird heute nicht flächendeckend für die flexible Stromproduktion eingesetzt. Vielmehr fahren derzeit deutschlandweit die Biogasanlagen hauptsächlich „nach Strich“. Das bedeutet, dass die Stromproduktion einer Biogasanlage stetig über 24 Stunden erfolgt und somit zur Grundlastversorgung eingesetzt wird. Dass dieser Zustand energiepolitisch nicht gewollt ist, da eine solche Fahrweise sich nicht mit der Nachfragestruktur des Strommarktes deckt, hat Bundesumweltminister Peter Altmaier erst kürzlich am Rande des EEG-Dialogs im Februar 2013 betont. Doch wie sieht die Nachfragestruktur des Strommarkts aus? Auf diesem liegt das Nachfragehoch - vereinfacht gesprochen - zwischen 8 Uhr morgens und 8 Uhr abends. Eine Biogasanlage ist in der Lage, solche Nachfrageschwankungen mit einer flexiblen Fahrweise und somit bedarfsorientierten Einspeisung zu berücksichtigen. So kann eine Biogasanlage beispielsweise am Vormittag und am Nachmittag verstärkt Strom produzieren und nachts das weiterhin erzeugte Gas zwischenspeichern. Politisch ist dies (speziell für Biogasanlagen) seit der EEG-Novellierung 2012 auch gewollt und wird dementsprechend finanziell in Form der Flexibilitätsprämie gefördert. Energiepolitischer Sinn dieser Prämie ist es den Anteil an steuerbarer (erneuerbarer) Energie zu erhöhen. Oder im Sinne der o.g. Überschrift: Die Last der Grundlast soll reduziert werden.

Wie funktioniert das mit der Flexibilitätsprämie? Um die Flexibilitätsprämie erhalten zu können, muss der Betreiber seinen erzeugten Strom an der Strombörse absetzen, sprich, seinen Strom innerhalb des Marktprämienmodells vermarkten. Ob die entsprechende Stromerzeugungsanlage vor dem 1.1.2012 – und somit vor der letzten EEG-Novellierung – gebaut wurde oder erst danach, spielt keine Rolle.

Gefördert wird mithilfe der Flexibilitätsprämie die zusätzlich installierte Leistung einer Anlage, die nicht für die kontinuierliche Fahrweise verwendet wird. Denn der Sinn der Flexibilitätsprämie ist es ja, die Volllaststunden einer Biogasanlage zu reduzieren. Ein anschauliches Zahlenbeispiel soll zu einem besseren Verständnis helfen: Der Stromerzeuger Kurt Hose betreibt eine Biogasanlage mit einer installierten Leistung von 500 kW. Er erhöht nun die Kapazität seiner Anlagenleistung auf 750 kW, also um 50%. Für jedes zusätzlich installierte Kilowatt erhält Kurt Hose ca. 130 EUR jährlich (garantiert ist die Flexibilitätsprämie für 10 Jahre). Die zusätzlichen 250 kW ergeben somit knapp 26.000 EUR jährlich extra. Aber: 130 EUR multipliziert mit 250 kW ergibt doch 32.500 EUR/Jahr? Die Differenz von 6.500 EUR ergibt sich durch den sog. Korrekturfaktor (geregelt im EEG §33i i.V.m. Anlage 5.2 ) mit 1,1 für Biogas (und 1,6 für Biomethan).

Und noch eine Anmerkung: Die 130 EUR pro kW gibt es, wenn das zusätzliche kW nicht für eine kontinuierliche Fahrweise verwendet wird. Denn wir erinnern uns, die Flexibilitätsprämie ist als Anreiz gedacht, Biogasanlagen gezielt in flexibler Auslastung zu fahren. Doch wie kann dies nachvollzogen werden? Ganz einfach: Im Jahresmittel darf der Betreiber nicht mehr Strom produzieren, als die vorherige Ausgangsleistung hergegeben hätte (in unserem Fall die 500 kW). In unserem Beispiel könnte der Anlagenbetreiber seine Anlage 12 Stunden zu Nachfragetiefs mit 250 kW und zu Nachfragehochs die vollen 750 kW zu fahren, anstatt konstant über 24 Stunden auf 500 kW zu fahren. Ein weiterer wichtiger Baustein für die Energiewende wäre damit gelegt.

 

Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.

Tobias Romberg works at the business development department of Next Kraftwerke.

Tobias Romberg

Project Manager