China ist ein Land der Extreme. Was mittlerweile schon fast abgedroschen klingt, trifft nicht nur auf die ungleiche Wohlstandsverteilung zu – auch in der Energiewirtschaft gibt es eklatante Gegensätze.
Der CO2-Fußabdruck der Chinesen hat sich erst jüngst dem der EU-Bürger angenähert und ist noch weit entfernt von dem der US-Amerikaner, Kanadier oder Australier. Dennoch ist China als bevölkerungsreichstes Land der Welt absolut gesehen schon heute Treibhausgasproduzent Nummer eins.
Doch nicht nur die Liste der Umweltsünder führt das Land an – schon 2012 war China das Land, welches am meisten in Erneuerbare Energien investierte. Rund 30 Prozent der installierten Leistung stammt mittlerweile aus erneuerbaren Quellen, hauptsächlich aus Wasserkraft. Nach dem Mitte September dieses Jahres von Ernst & Young veröffentlichten Index zur Attraktivität des Marktes für Erneuerbare Energien, steht China auf Platz eins von 40 Märkten weltweit. In ihrem aktuellen Fünf-Jahres-Plan sieht die Regierung bis 2020 einen Zubau bei Erneuerbaren Energien von 200 Gigawatt vor, was einer Leistung von rund 300 Kohlekraftwerken entspricht. Laut einer Studie des WWF ist ein Wechsel zu den Erneuerbaren für China sogar günstiger, als auf dem herkömmlichen Weg der Energiegewinnung zu bleiben. Von den Folgekosten für die Bevölkerung ganz zu schweigen.
Die Regierung Chinas fördert den Ausbau der regenerativen Energien enorm: So sind es finanzielle Anreize, regulatorische Vorgaben und steuerliche Sonderregelungen, die als Grundlage des Marktwachstums gelten können. Die chinesische Wirtschaft und Politik beginnen also zu begreifen, dass der Sektor der Erneuerbaren Energien ein rasant wachsender Markt ist und wissen dies auch auszunutzen. So kann das Land mittlerweile nicht nur die weltweit größte Produktion von Solarmodulen vorweisen, sondern hat zudem 2013 Deutschland, den bisherigen Spitzenreiter, bei der Neuinstallation von Solaranlagen überholt. Auch im Bereich der Wasserkraft spielt China, Heimat des größten Wasserkraftwerks der Welt (dem Drei-Schluchten-Staudamm), in den vorderen Reihen mit.
Trotz der positiven Zahlen was den Zubau an Neuanlagen und die installierte Leistung angeht, kann noch nicht von einer gelungenen Wende in eine Zukunft mit den Erneuerbaren gesprochen werden. Denn zwischen installierter und tatsächlich eingespeister, also effektiv genutzter Leistung, herrscht eine große Diskrepanz. So gehen zwar 30% der installierten Leistung auf das Konto der regenerativen Energien, beim genutzten Strom kommen sie allerdings gerade mal auf 10%. Dies liegt vor allem am Konkurrenten Kohlestrom, der in China noch immer unschlagbar günstig zu haben ist. Ein weiteres Problem ist die Qualität des Netzes, welche den Transport und somit die Nutzbarkeit des Stroms bisher noch erschwert. Unzählige Windanlagen sind beispielsweise in der Inneren Mongolei installiert. Die großen Stromkonsumenten sind allerdings Städte im Osten und im Süden des Landes.
Die enormen Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung führen zudem dazu, dass wirtschaftliches Wachstum weiterhin ganz oben auf der politischen Agenda steht, um auch die ländliche Bevölkerung langsam am Erfolg des Landes teilhaben zu lassen, von dem diese bisher kaum profitieren kann. Zudem besteht China auf einen „Nachholanspruch“ gegenüber den westlichen Industrieländern. Denn das ausgestoßene CO2 wirkt noch etwa 100 Jahre in der Atmosphäre nach, sodass für den heutigen Klimawandel fast ausschließlich die USA und die EU mit ihrem teilweise viele Jahrzehnte zurückliegenden CO2-Ausstoß verantwortlich zeichnen. China die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten abzusprechen, weil die Forschung der letzten Jahre die Nachteile der fossilen Energiequellen erkannt hat, wird als ungerecht empfunden. Allerdings sind die Auswirkungen des hemmungslosen Wachstums, und die Folgen des enormen Steinkohleverbrauchs bereits so greifbar, dass auch den Letzten langsam klar wird, dass es auf diese Weise nicht mehr lange weitergehen kann. Schon seit Jahren gehen Bilder der in Smog gehüllten Skylines chinesischer Millionenstädte um die Welt. Und so wird der Ruf nach Veränderung seitens der Bevölkerung immer lauter.
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Die Herausforderung, der China sich stellen muss, ist es, den Spagat zwischen dem Ausgleich der Einkommensschere und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zu schaffen. Denn obgleich die Förderung der Entwicklung auf dem Land notwendig ist, werden ohne ein Umdenken die Folgen des hohen Energieverbrauchs für Mensch und Umwelt schon bald nicht mehr tragbar sein.
Gut also, dass Unternehmer das Geschäft mit den Erneuerbaren für sich entdeckt haben. Chinas „Sonnenkönig“ Huang Ming etwa, Gründer des Solarstromunternehmens Himin Solar und mittlerweile einer der reichsten Männer des Landes, verfolgt ein großes Ziel: „Den Kindern einen blauen Himmel vererben“.
Stromverbrauch 2013: 5.322,3 TWh
Ziel der Regierung bis 2017: 550 Gigawatt Leistung aus allen Erneuerbaren Energien
Gesamtinvestition in den Energiesektor 2013: 99,56 Mrd. Euro
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