Am Day-Ahead-Markt steht eine sprichwörtliche Zeitwende bevor: Statt der bisherigen Stundenprodukte sollen noch Mitte dieses Jahres Viertelstundenprodukte gehandelt werden. Doch warum ist diese Umstellung sinnvoll? Und welche Auswirkungen bringt sie konkret mit sich?
Bisher wurden am Day-Ahead-Markt der EPEX SPOT Strommengen und Preise für den nächsten Tag ausschließlich in einstündigen Blöcken gehandelt. Diese starre Struktur machte es schwierig, kurzfristige Schwankungen in Stromerzeugung und -verbrauch – wie sie vor allem durch die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien entstehen – effektiv abzubilden. So musste zum Beispiel Photovoltaikstrom bislang in einstündigen Paketen verkauft werden, obwohl die tatsächliche Einspeisung innerhalb einer Stunde strukturell starken Unterschieden unterliegt. Da diese Stundenblöcke lediglich Durchschnittswerte darstellen, waren Marktteilnehmer gezwungen, im Intraday-Handel nachträgliche Anpassungen vorzunehmen, um Prognoseabweichungen auszugleichen.
Durch die Einführung der neuen Viertelstundenprodukte erfolgt nun ein bedeutender Schritt zu mehr Flexibilität und Effizienz im Stromhandel. Gerade für das zunehmend von erneuerbaren Energien geprägte Stromsystem bedeutet dies eine erhebliche Verbesserung, da kurzfristige Schwankungen effizienter ausgeglichen werden können.
In Zukunft heißt es an der EPEX-Spot Schluss mit den Stundenblöcken und her mit den Viertelstundenprodukten. Konkret bedeutet dies, dass die sogenannte Market Time Unit (MTU) von bisher 60 Minuten auf eine 15-Minuten-Auflösung umgestellt wird. Die tägliche Auktion um 12:00 Uhr CET wird also künftig nicht mehr ausschließlich für stündliche Intervalle durchgeführt, sondern erfolgt für alle SDAC-Biding-Zonen und deren Grenzen zeitgleich im 15-Minuten-Takt.
Was heißt das konkret für den Stromhandel? Ganz einfach: Anbieter und Verbraucher können ihren Strombedarf und ihre Produktion deutlich genauer prognostizieren und am Markt platzieren. Die Energieflüsse im Netz werden dadurch effizienter gesteuert und kurzfristige Schwankungen, etwa bei erneuerbaren Energien wie Wind und Solar, wesentlich besser berücksichtigt.
Ein zusätzlicher Vorteil der neuen Handelsstruktur: Marktteilnehmer bleiben flexibel. Denn neben den neuen Viertelstundenprodukten können sie je nach Strombörse weiterhin auch auf 30-Minuten- und 60-Minuten-Produkte zugreifen. EPEX SPOT bietet alle drei Zeitintervalle in sämtlichen SDAC-Bidding-Zonen an, sodass Marktteilnehmer nach Belieben ihre Handelsstrategien optimieren und verschiedene Zeitintervalle sogar miteinander kombinieren können.
Die Einführung der 15-Minuten-Produkte ist Teil des Single Day-Ahead Coupling (SDAC), eines zentralen europäischen Projekts zur Optimierung des grenzüberschreitenden Stromhandels. Ziel des SDAC ist es, einen europaweit integrierten Day-Ahead-Strommarkt zu schaffen, der verfügbare grenzüberschreitende Übertragungskapazitäten optimal nutzt und effizient zuweist. Doch wie läuft diese Kopplung in der Praxis ab? Das SDAC koppelt die Großhandelsmärkte verschiedener europäischer Regionen über einen gemeinsamen Algorithmus. Dieser Algorithmus berücksichtigt sowohl die Gebote der Marktteilnehmer als auch die begrenzten grenzüberschreitenden Übertragungskapazitäten. Dadurch wird sichergestellt, dass grenzüberschreitende Stromflüsse stets so gelenkt werden, dass der Strom insgesamt möglichst effizient verteilt wird – was letztlich die gesamteuropäische Wohlfahrt erhöht.
Welche Vorteile bringt das mit sich? Neben einer gesteigerten Wettbewerbseffizienz profitieren Marktteilnehmer von einer erhöhten Liquidität sowie einer besseren Integration erneuerbarer Energien. Außerdem ermöglicht die feinere Zeiteinteilung, kurzfristige Änderungen bei der Stromerzeugung genauer abzubilden, was wiederum zu einer höheren Netzstabilität und genaueren Verbrauchsprognosen beiträgt.
Die Einführung der Viertelstunden-Produkte passiert nicht einfach aus Lust und Laune - dahinter steckt eine regulatorische Vorgabe der Europäischen Union. Laut EU-Verordnung müssen nämlich alle Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) in den Mitgliedstaaten ihre Ungleichgewichtsausgleichsberechnung (Imbalance Settlement Period, ISP) auf eine 15-minütige Zeiteinheit umstellen. Das bedeutet wiederum, dass sämtliche europäischen Strombörsen (die sogenannten NEMOs, also Nominated Electricity Market Operators) verpflichtet sind, entsprechende 15-Minuten-Produkte in allen SDAC-gekoppelten Märkten anzubieten.
Darüber hinaus schreibt der EU-Strombinnenmarkt vor, dass Marktteilnehmer in Zeitintervallen handeln können müssen, die mindestens genauso kurz sind wie diese ISP. Ziel dieser Vorschrift ist, europaweit eine einheitliche und effiziente Marktstruktur zu schaffen. Praktisch bedeutet das: Durch die feinere zeitliche Auflösung wird es einfacher, schwankende Strommengen – vor allem aus Wind und Solar – genauer vorherzusagen und zu vermarkten. Und davon profitiert am Ende auch die Netzstabilität.
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Der Go Live Termin für die Einführung der 15 Minuten Produkte im Day Ahead Markt war ursprünglich für den 11. Juni 2025 vorgesehen, mit der ersten Lieferung am 12. Juni. Nun wurde die Einführung auf den 30. September 2025 verschoben, mit dem ersten Handelstag am 1. Oktober.
Zwar wurden die Leistungstests und Verfahrensprüfungen erfolgreich abgeschlossen und viele Marktteilnehmer gelten als technisch bereit, allerdings konnten einzelne Projektparteien die notwendige Einsatzfähigkeit nicht rechtzeitig sicherstellen. Eine Umsetzung im bisherigen Zeitplan war daher nicht möglich.
Verschiedene alternative Szenarien wurden geprüft, ließen sich jedoch innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens nicht realisieren. Die aktualisierte Planung soll in den Sitzungen der Market Coupling Consultative Group am 2. Juni und des Market Stakeholder Committee am 3. Juli vorgestellt werden.
Mit der Einführung der Viertelstundenprodukte bekommt auch die Preisbildung ein Update: Bisher wurden Strompreise für einstündige Intervalle ermittelt – immer nach dem Prinzip des “Market Clearing Price” (MCP). Das heißt: Der Preis wurde von der teuersten Erzeugungseinheit bestimmt, die notwendig war, um den Bedarf der jeweiligen Stunde zu decken.
Die neuen Viertelstundenprodukte machen die Preisbildung deutlich präziser. Statt einer einzigen Preisprognose pro Stunde müssen Marktteilnehmer nun vier Prognosen pro Stunde erstellen. Dabei wird interessant sein zu beobachten, inwieweit der Day-Ahead-Preis künftig die typischen schnellen Produktionsanstiege und -abfälle (sogenannte Rampen) von Photovoltaikanlagen direkt widerspiegelt – ein Phänomen, das bisher vor allem am Intraday-Markt sichtbar war. Kurzfristig könnte diese feinere Preisstruktur somit zu einer erhöhten Preisvolatilität führen.
Hinter der ganzen Preisbildung steckt ein europaweiter Algorithmus, der alle Gebote von Strombörsen und Netzbetreibern verarbeitet. Dieser Algorithmus berechnet innerhalb eines eng begrenzten Zeitfensters die optimale Lösung für Angebot und Nachfrage. Dadurch bleiben die Preise transparent und effizient. Die Ergebnisse (abgeglichene Handelsmengen, Clearing-Preise und geplante Energieaustausche) werden unmittelbar an die Marktakteure zurückgemeldet, um eine stabile und leistungsfähige Marktabwicklung zu gewährleisten.
Langfristig ermöglicht diese granulare Preisbildung eine genauere Steuerung des Strommarkts, schafft attraktive neue Handelsmöglichkeiten und macht es flexiblen Verbrauchern und Erzeugern leichter, ihre Anlagen optimal an kurzfristige Preisschwankungen anzupassen. Eine spannenden neue Ära im Stromhandel...
Die Umstellung auf Viertelstunden-Produkte bringt insbesondere für Direktvermarkter und Betreiber_innen von Photovoltaik-Anlagen spürbare Veränderungen mit sich – und das im positiven Sinne. Denn die typische „PV-Glocke“, die die Einspeisung von Solarstrom im Tagesverlauf abbildet, kann nun zielgerichtet bereits im Day-Ahead-Markt vermarktet werden. Direktvermarkter und deren Kund_innen profitieren dadurch unmittelbar davon, dass Vermarktung und tatsächliche Erbringung besser übereinstimmen. Gleichzeitig bildet der zukünftige Marktreferenzwert nun ebenfalls die 15-Minuten-Struktur ab, wodurch die systematischen Kosten der PV-Erzeugung realistischer berücksichtigt werden.
Für Marktakteure ergibt sich insgesamt eine deutlich genauere Abbildung von Angebot und Nachfrage auf die realen Einspeiseprofile, was wiederum passgenaue Vermarktungsmöglichkeiten schafft. Betreiber_innen von erneuerbaren Energien können dadurch möglicherweise langfristig mit sinkenden Ausgleichsenergiekosten rechnen, da weniger nachträgliche Anpassungen im Intraday-Markt notwendig sein werden. Auch Stromhändler_innen profitieren direkt, da die Anpassung an die realen Einspeisemuster von Erneuerbaren bereits am Day-Ahead-Markt erfolgen kann, ohne dass diese kurzfristigen Schwankungen auf den Intraday-Markt verschoben werden müssen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Preisstrukturen konkret entwickeln und inwieweit alle Marktteilnehmer – ob aus prozessualen oder vertraglichen Gründen – tatsächlich vollständig auf die neue 15-Minuten-Struktur umstellen werden.
Dennoch ist zu beachten, dass diese Marktumstellung allein nicht automatisch zu einer höheren Systemflexibilität führt – diese hängt maßgeblich von der physischen Verfügbarkeit flexibler Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen ab. Zudem könnte durch die Verlagerung des Handels in die Day-Ahead-Auktion die Liquidität in den Intraday-Auktionen sinken, was sowohl positive als auch negative Effekte auf die Handelsmöglichkeiten haben könnte.
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.