In Teil 2 unseres Artikels beschäftigen wir uns mit Konzepten für Virtuelle Kraftwerke auf Inseln und in Inselsystemen für eine nachhaltige und sichere Stromversorgung.
Im letzten Teil unserer zweiteiligen Mini-Blogserie haben wir uns mit der grundsätzlichen Frage der Energieversorgung auf Inseln befasst. Im zweiten Teil möchten wir konkreter auf unseren Vorschlag für eine sichere und ökologische Stromversorgung auf Inseln und in Inselsystemen eingehen: Mit einem Virtuellen Kraftwerk lassen sich viele kleine Erzeugungseinheiten zu einer sicheren und effizienten Inselstromversorgung bündeln und der Einsatz von fossilen Brennstoffen auf ein Minimum reduzieren.
Autarke Inselstromnetze mit einem möglichst großen Anteil an Erneuerbaren Energien setzen sich aus vielen kleinen, einzelnen Einheiten zusammen, die entweder Strom verbrauchen, Strom produzieren oder Strom speichern. Diese Einheiten – vernetzt, interagierend, Daten austauschend – sind über mobile Datenverbindungen mit einem zentralen Leitstand vernetzt, der alle Ereignisse in seinem Wirkungsbereich überwacht und steuert. Gemeinsam bilden sie ein Virtuelles Kraftwerk und können alle gemeinsam wie ein großes (oder kleines) Kraftwerk gesteuert werden.
Virtuelle Kraftwerke haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie nicht nur versorgungssicher, sondern auch energiewirtschaftlich sinnvoll Stromsysteme aus Erzeugern, Verbrauchern und Speichern auf Basis Erneuerbarer Energien betreiben können. Dies stellen sie derzeit vor allem in großen Stromnetzen unter Beweis, wo Virtuelle Kraftwerke allerdings nur ein Akteur neben vielen weiteren sind.
Auf Inseln hingegen können Virtuelle Kraftwerke die Stromversorgung mitsamt der Steuerung des Inselstromnetzes komplett übernehmen und so alle ihre Vorteile ausspielen: Die Prognose und Koordination dezentraler Stromerzeuger, -verbraucher und -speicher in Echtzeit, die sekundenschnelle Bereitstellung von Reserven, die hochflexible Reaktionsfähigkeit auf Witterungseinflüsse und vieles mehr. Ohne in eine komplexe und störungsanfällige zentralisierte Infrastruktur zu investieren, lässt sich die Stromversorgung so nicht nur grüner und günstiger, sondern auch sicherer machen.
Um das Inselstromnetz effizient und versorgungssicher zu machen, muss die Verbraucherseite in das Virtuelle Kraftwerk der Insel mit eingebunden sein. Große Stromverbraucher wie Hotels oder Gewerbetreibende spielen eine entscheidende Rolle, da in ihren Verbrauchsprozessen die für einen stabilen Netzbetrieb notwendige Flexibilität liegt. Viel Strom sollte nur dann verbraucht werden, wenn er überreichlich vorhanden und somit günstig ist, in Zeiten von Stromknappheit schützt ein intelligentes Lastmanagement das Inselstromnetz durch eine automatische Anpassung der Stromproduktions- und Verbrauchsprozesse.
Kältemaschinen und Klimaanlagen können durch eine kurzzeitige Drosselung oder Abschaltung der Kompressoren über kurze Schaltbefehle des Inselleitstands Spannungsspitzen im Inselnetz ausgleichen; die Trägheit der thermischen Prozesse macht diese Eingriffe kaum spürbar. Durch den Einsatz von Kältepuffern wie Eisspeichern, sofern solche vorhanden sind, kann die thermischen Prozessen ohnehin innewohnende Flexibilität noch weiter vergrößert werden. Ähnliche Konzepte lassen sich auch bei Fahrzeugladestationen, Hafenanlagen, Pumpwerken und anderen Maschinenanlagen anwenden, deren Höchstverbrauch zeitlich verschiebbar bzw. drosselbar ist.
Auch kleine Stromverbraucher wie Haushalte und Kleingewerbe können Flexibilität bereitstellen, in dem sie über im Haus installierte Smart Meter oder spezielle Apps über den Strompreis und/oder die Netzauslastung für den Tag informiert werden.
Dezentrale Energieinfrastrukturen lassen sich aber nicht nur auf Inseln, sondern auch in abgelegenen Regionen weitab des Stromnetzes errichten – beispielsweise in Afrika oder Asien, wo große Landflächen, Geldmangel und schwierige topographische Bedingungen den Aufbau von großen Stromnetzen schwierig und unwirtschaftlich machen. Auch für die Entwicklungshilfe bieten sich hier Chancen, denn eine funktionierende und verlässliche Energieversorgung ist Grundlage eines jeden funktionierenden Wirtschafts- und Gesundheitssystems.
Ein Vorbild kann hier der Aufbau von Telekommunikationsnetzen in Afrika sein: Mobile Datenverbindungen per Smartphone, bereitgestellt durch ein dezentral aufgebautes Funkzellennetz, haben Millionen Menschen einen Zugang zum Internet ermöglicht – Internet über Festnetzleitungen spielt in Afrika so gut wie keine Rolle. Analog dazu kann mit dem Aufbau eines dezentralen Stromnetzes eine ähnlich konkrete Entwicklungshilfe betrieben und eine von Rohstofftransporten und Krisen unabhängige Stromversorgung geschaffen werden.
NEMOCS von Next Kraftwerke ermöglicht den weltweiten Aufbau Virtueller Kraftwerke aller Art. Nicht nur in Inselstromnetzen können Stromproduzenten, Stromverbraucher und Stromspeicher sicher und effizient vernetzt werden.
Ein weiterer Schlüssel für die Effizienz und Wirtschaftlichkeit Virtueller Kraftwerke liegt in ihrer Fähigkeit zur eigenständigen Erhebung und Auswertung von Daten zur Energieerzeugung: Über das Einspeiseprofil der einzelnen, vernetzten Anlagen lassen sich in Echtzeit verwertbare Prognosedaten für den Einsatz des gesamten Virtuellen Kraftwerks gewinnen. Durch kontinuierliche Auswertung und Korrektur der einzelnen Anlagenfahrpläne nähert sich das Leitsystem so immer mehr dem wirtschaftlichen Optimum und der Reduzierung des fossilen Brennstoffverbrauchs auf das notwendige Minimum an. So trägt jede Anlage im Virtuellen Kraftwerk dazu bei, den eigenen und den Betrieb der anderen Anlagen im Kraftwerksschwarm effizienter zu machen.
Keine Insel gleicht der anderen, daher ist es unmöglich, für so unterschiedliche Inselgruppen wie die Faröer, die Kanarischen Inseln, die britischen Kanalinseln, die deutschen Nordseeinseln oder die skandinavischen Ostseeinseln allgemeingültige Aussagen zu treffen. Vielmehr ist es auf jeder Insel, die ihren Anteil an Strom aus Erneuerbaren Energien erhöhen möchte, notwendig, genau die vorhandenen Möglichkeiten zur Erzeugung von Strom aus den dort vorhandenen Erneuerbaren Energien zu prüfen. Zu diesem Zweck müssen daher nicht nur die internen Daten des Virtuellen Kraftwerks, sondern externe energiemeteorologische Analysen herangezogen werden.
Liegen belastbare Zahlen zur Windsituation oder zur Sonneneinstrahlung auf der Insel vor? Wie viele Tage im Jahr weht der Wind wie stark, wie viel Sonneneinstrahlung ist im Mittel pro Tag zu erwarten? Wie oft treten Wetterwechsel auf, wie wahrscheinlich sind Bewölkungs- oder Nebellagen zu welchen Jahreszeiten? Gibt es Jahreszeiten oder regelmäßig Wetterlagen mit kaum Sonneneinstrahlung und wenig Wind, die Versorgungsengpässe verursachen könnten denen mit zusätzlicher Generatorkapazität begegnet werden muss?
Neben meteorologischen Analysen sollte auch das Potential der Insel erkundet werden: Ist vulkanische Aktivität auf der Insel vorhanden, die man für Geothermie nutzen könnte? Ist auf gebirgigen Inseln die Möglichkeit gegeben, ein Pumpspeicherkraftwerk zu errichten? Kann auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Inseln eine Biogasstromproduktion aufgenommen werden? Kann der auf der Insel anfallende Müll in Müllverbrennungsanlagen verbrannt und zur Strom- und Wärmegewinnung genutzt werden? Diese und noch viel mehr Fragen, Analysen und Expertisen machen das erneuerbare Energiepotential einer Insel aus, für die das jeweilige Virtuelle Kraftwerk maßgeschneidert werden kann.
Inseln als Schaufenster in die Zukunft: Während ein komplexes Ökosystem aus Lobbyismus, angestaubter Industriepolitik und Versorgungssicherheitsbedenken die Erneuerbaren Energien in großen Volkswirtschaften bremst, können diese auf Inseln frei und ungehemmt all ihre Stärken zeigen: Ein kluges und durchdachtes Konzept vorausgesetzt, dass konsequent auf die lokal starken Energieträger setzt, kann in wenigen Jahren zu einer vollständigen Autarkie der Insel oder, wie am Beispiel Samsøs, sogar zu einem Energieexport aufs Festland führen – allerdings findet dieses Musterbeispiel im reichen Dänemark statt.
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Für die „Durchschnittsinsel“ gelten meistens deutlich schlechtere wirtschaftliche Bedingungen. Hier muss überlegt werden, wie der Weg zur Inselenergiewende unter Einbeziehung der bestehenden, konventionellen Energieinfrastruktur gelingen kann. Dies spart Investitionskosten und auch CO2, da der vorhandene Dieselgenerator vielleicht nur ein Viertel der bisherigen Zeit in Betrieb genommen werden muss. Ähnlich wie im Automobilbau können Hybridlösungen auch hier einen Weg in eine rein erneuerbare Zukunft darstellen, das starke Preisgefälle bei Solarpanels und Batteriespeichern verschafft auch finanzschwachen Inseln reale Einstiegschancen.
Die Erneuerbaren Energien punkten weltweit mit niedrigen Grenzkosten, Emissionsfreiheit und auf lange Sicht deutlich günstigeren Strompreisen – nicht nur auf Inseln, sondern auch auf dem Festland. Wir sollten die Inseln und die abgelegenen Regionen jenseits der Stromnetze dieser Welt ermutigen und befähigen, Pioniere auf einem Weg in eine Zukunft aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien zu sein.
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