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Lesedauer: 3 min.
von Verena Dubois / 18 September 2019
Lichter und Stromnetz in einer Stadt in Thailand.

Next Stop: Thailand

Die Reise zu den Strommärkten der Welt geht weiter: Diesmal waren Felix Jedamzik aus dem Team International Business Development und Tobias Romberg aus dem Team Innovation & Development in Thailand unterwegs und berichten von ihren Eindrücken.

Verena Dubois: Ihr habt in Bangkok einen VPP-Workshop veranstaltet. Erzählt doch mal, worum es da ging.

Felix Jedamzik: Ein großer Kraftwerksbetreiber hatte uns eingeladen, die Möglichkeiten von Virtuellen Kraftwerken vorzustellen. Bei dem Workshop ging es darum, Innovationen anzustoßen und mögliche Use Cases für VPPs zu erarbeiten. Die Firma investiert in erneuerbare Technologien, vor allem PV und Wind. Allerdings handelte es sich um ein reines Pilotprojekt, da momentan noch kein passendes Marktdesign existiert.

Verena: Wie ist denn der Markt organisiert?

Felix: Obwohl der Strommarkt hinsichtlich der Erzeugung liberalisiert ist, ist die Versorgerseite de facto noch monopolistisch strukturiert. Die staatlich kontrollierte Gesellschaft Electricity Generating Authority of Thailand (EGAT) verantwortet die Erzeugung, den Netzbetrieb und auch die Versorgung der Haushaltskunden. Darüber hinaus gibt es zwei große Sub-Grid-Operator, die sich um die Stromlieferverträge kümmern.

Verena: Und wie fügen sich die Erneuerbaren in dieses Marktdesign ein?

Tobias Romberg: Momentan ist der Anteil der Erneuerbaren noch eher gering und liegt bei etwa 10 Prozent. Doch der Ausbau wird vorangetrieben – nicht zuletzt, da sich das Land unabhängiger von Stromimporten machen möchte. Es gibt einen staatlichen Fördermechanismus, der unserem Einspeisevergütungssystem ähnelt. Hier wird auf den Strompreis ein energieträgerspezifischer Förderbetrag aufgeschlagen. Früchte trägt dieser Anreizmechanismus vor allem im PV-Bereich. Gute Perspektiven gibt es aber auch für die Bioenergie – und zwar sowohl im Strom- als auch im Wärmesektor.

Felix: Spannend ist auch ein neues Konzept mit Hybridkraftwerken. Dabei handelt es sich um ein von der Regierung unterstütztes Programm, bei dem versucht wird, Microzellen zu schaffen – zum Beispiel aus einer PV-Anlage, einer Batterie und einem Dieselgenerator. Durch die Kombination verschiedener Energieträger – ergänzt durch einen limitierten Grad an konventioneller Erzeugung – soll ein vorab definierter Energiebedarf gedeckt werden.

Verena: Also sozusagen ein Miniatur-VPP?

Felix: Ja, genau. Die Energieträger müssen miteinander harmonisiert werden. Das bedeutet dann konkret, dass bei geringer Wind- oder PV-Erzeugung flexible konventionelle Technologien zum Einsatz kommen, um die geforderte Menge zu erreichen – oder, dass bei hoher Erzeugung eine Batterie als Zwischenspeicher eingesetzt wird. Beim Management dieser einzelnen Anlagen könnten dann auch VPP-Tools hilfreich sein. Denn Forecasting und Prognose sind an den Kraftwerksbetreiber ausgelagert.

Verena: Wer nimmt denn den Strom ab?

Tobias: In Thailand gibt es keine Strombörse, an der Strom gehandelt wird. Der Versorger EGAT ist quasi der einzige Abnehmer. Im Falle der Microzellen soll das dann so aussehen, dass zwischen dem Betreiber und EGAT langfristige PPAs geschlossen werden. Hier wird dann eine Stromlieferungsverpflichtung für einen bestimmten Zeitraum definiert. EGAT lässt die Erneuerbaren also schon auf Betreiberseite ausbalancieren, so dass es zu weniger Schwankungen im Stromnetz kommt.

Verena: Welche Konzepte gibt es denn ansonsten zur Netzstabilität?

Tobias: Die Netze in Thailand sind recht flexibel. Das hängt damit zusammen, dass der Energiemix in Thailand momentan noch hauptsächlich durch Gas getrieben ist. Und Gas lässt sich ja gut ausregeln. Zukünftig soll Erdgas aber eine weniger zentrale Rolle im Energiemix spielen. Dann könnten eventuell auch steuerbare Erneuerbare wie Bioenergie als flexible Energieträger interessant werden.

Verena: Welche Perspektiven seht ihr für die Energiezukunft des Landes?

Tobias: Neben dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren, steckt sicher noch ein großes Potenzial in der Demand-Seite: In Bangkok ist nahezu jeder Bereich klimatisiert, der thailändische Kühlenergiebedarf wird auf rund 50.000 GWh im Jahr geschätzt. Auch im industriellen Sektor ist der Strombedarf gewaltig. Flexibilisierungskonzepte könnten hier für mehr Energieeffizienz sorgen.

Felix: Ein großer Treiber für die Zukunft wird aus meiner Sicht das Thema Mobilität sein. In Bangkok sind tausende kleine Fahrzeuge und Roller unterwegs – mit deutlichen Auswirkungen auf die Luftqualität. Ich könnte mir vorstellen, dass in einigen Jahren ein Großteil des Verkehrs elektrifiziert ist. Auch das wird Bewegung in den Strommarkt bringen und neue Flexibilitätsprodukte möglich machen.

Thailands Energielandschaft im Überblick

Stromverbrauch:168 TWh (2015)
Strommix (2018):Kohle: 17 %
Öl: 0,1 %
Gas: 57 %
Wasserkraft: 4 %
Erneuerbare Energien: 9 %
Importe): 13 %
Ausbauziele laut AEDP 2015 (Alternative Energy Development Plan) :Bis 2036 soll der Anteil von erneuerbaren Energien auf 30 % ausgebaut werden.
Verena Dubois ist Marketing Managerin bei Next Kraftwerke.

Verena Dubois

Deputy Head of Communications and Market Research