Um die Energiewende wird hart gekämpft. In der Politik, in den Kommunen, an den Stammtischen. Und immer häufiger auch im Internet.
Die Global Warming Policy Foundation (GWPF) warnt vor teurer und ineffizienter Windenergie...
Das Committee for Constructive Tomorrow (CFAT) meint: "Relax. It’s not Global Warming ‘End Times‘"...
Das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE) meint: Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit! Umweltschutz: Ja! Klimaschutz: Nein
Was ist diesen „klimaskeptischen“ Institutionen gemein? Sie alle versehen sich selbst mit dem Substantiv „Think Tank“ und den dazu assoziierten Prädikaten „unabhängig“, „gemeinnützig“, „kritisch“ usw.
Doch diese Prädikate können keinesfalls den oben genannten Instituten zugesprochen werden. Das passende Substantiv für die o.g. Institute wäre „politische Lobbyvereine“. Und diese haben nur einen Zweck: Die einseitigen Interessen ihrer Investoren auf gesellschaftspolitischer Ebene durchsetzen. Hierzu können sie entweder in den politischen Entscheidungsprozess eingreifen – beispielsweise durch das Anfertigen von Studien für Europa-, Bundes- und Landtagsabgeordnete – oder das öffentliche Meinungsbild beeinflussen. Grundsätzlich ist diese Form der Interessenvertretung nicht ungewöhnlich, nahezu jede Branche versucht sich im politischen Entscheidungsprozess Gehör zu verschaffen. Beispielsweise setzte sich der deutsche Fachverband für Biogas e.V. durch eben solche Interessensarbeit für eine Änderung des §35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ein, damit in Zukunft eine flexiblere Fahrweise von Biogasanlagen möglich ist.
Doch wann wird diese Form von Interessensarbeit unbekömmlich? Ganz einfach: Sobald innerhalb des politischen Entscheidungsprozesses Ungleichgewichte zwischen den relevanten Akteuren erzeugt werden. Denn wie fair kann die Verhandlungssituation in einem Entscheidungsprozess sein, wenn sich 754 Mitglieder des Europäischen Parlaments gegen ca. 15.000 – 30.000 Lobbyisten behaupten müssen? Wie können die Europaabgeordneten erstellte Studien der Interessenverbände auf ihre Redlichkeit hin prüfen, wenn das Europäische Parlament über keinen eigenen wissenschaftlichen Dienst verfügt, geschweige denn über die benötigten eigenen personellen Ressourcen? Als Folge lässt sich häufig die Genese politischer Wahlkampfargumente in Unternehmensstudien finden.
Innerhalb der politischen Klimadebatte ist genau eine solche Situation anzutreffen. Hier trifft eine mächtige Interessensvertretung auf die politischen Entscheidungsträger. Diese Vertretung von Partikularinteressen nimmt nicht nur auf den genannten Wegen Einfluss auf Politik und Gesellschaft. Durch die Finanzierung, sprich Gründung, von „Denkfabriken“ wird ein weiteres (indirektes) instrumentelles Sprachrohr fern der „Vorhalle des Parlaments“ geschaffen, in der früher die Einflussnahme zumeist stattfand und die dem Begriff „Lobbyismus“ zugrunde liegt. Diese neuen Institute spielen mit gefestigten Sprachgewohnheiten, indem sie unter seriösen Bannern reiten. Beispielsweise bezeichnen sie sich als „Skeptiker“ und übertragen die positive Konnotation des Begriffs auf sich selbst. Doch welche Ironie! Der Begriff des Skeptikers bildet eigentlich den Gegensatz zum Dogmatiker. Und einst galten die Gegner der Erneuerbaren (Atomenergie und fossile Energieträger wie Erdöl, Gas, Kohle) als Dogmatiker und die „grünen“ Energieerzeuger als die Skeptiker. Dieses Verhältnis hat sich heute begrifflich umgedreht – ein kleiner linguistischer Etappensieg der Erneuerbaren, denn aus dem Jäger ist inzwischen zumindest in Teilen der öffentlichen Wahrnehmung der Gejagte geworden, den es mit den Waffen des Zweifels, des Skeptizismus, zu überprüfen und anzugreifen gilt.
Ein weiterer Typus dieser Sprachspiele ist der Namensgebung solcher Institute zu entnehmen. Man denke an das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE). Ein seriöser Name, der nach staatlicher Unabhängigkeit, Wissenschaftlichkeit, Internationalität klingt und vor allem mit Kapazität glänzt. Dieses Institut, das als wissenschaftliche Organisation auftritt, wird jedoch genau von wissenschaftlichen Einrichtungen geschmäht. Ob dies wohl mit der Arbeitsweise solcher „Denkfabriken“ zusammenhängt? Etwa wird diesen Interessensverbänden vorgeworfen, kompetente Fachpersonen mit Vorsatz falsch zu zitieren, deren Aussagen aus dem Kontext zu reißen und auf eingängige, fehlerhafte und ambivalente Bilder zu verkürzen. Vor allem ist diese Art der Verfahrensweise interessant im Zusammenhang mit einer Studie (Januar 2013) der University of Queensland (Australien). Diese prüfte sämtliche seriöse wissenschaftliche Publikationen zwischen 1991 bis 2011, um herauszufinden, wie hoch der klimaskeptische Beitrag im akademischen Diskurs ist. Dass ein anthropogener, also menschengemachter, Klimawandel existiert, darin sind sich ca. 97% der Wissenschaftler einig. Nur über das Ausmaß des anthropogenen Anteils herrscht kein eindeutiger Konsens. Das wichtige an dieser Zahl ist: Klimaskeptische Institute, die vor allem den anthropogenen Klimawandel anzweifeln, greifen bei ihrer Argumentationsbildung auf eine Gruppe von Wissenschaftlern zurück, die 2-3% der gesamten Science-Community repräsentieren.
Auch die mangelnde bzw. nicht vorhandene Transparenz der Finanzierungsstrukturen solcher Think Tanks wird kritisiert. Denn meist ist nicht ersichtlich, wer für welche Studie oder gar für das ganze Institut der Auftraggeber ist. Corporate Europe Observatory, eine transparente NGO mit dem Ziel Lobbyismus sichtbar zu machen, kritisiert beispielsweise, dass keines der eingangs genannten Institute seine Finanzierungsstrukturen offenlegt bzw. selbst kenntlich als Interessensvertretung im (freiwilligen) EU-Lobbyregister zeichnet. Sind diese Behauptungen aus der Luft gegriffen? Ein kleines Beispiel: die Union of Concerned Scientists dokumentiert in einem Report, dass ExxonMobil zwischen 1998 und 2005 16 Millionen USD aufgebracht hat, um 43 vorgeblich autonome Institute zu finanzieren, die sich deutlich gegen den durch Menschen gemachten Klimawandel aussprechen. [Nachtrag vom 18.01.2016: Der Guardian legt in einem aktuellen Bericht die Ergebnisse einer verdeckten Ermittlung von Greenpeace vor, die zeigen, dass einige "klimaskeptische" Wissenschaftler bereit sind gegen Bezahlung – vornehmlich von Unternehmen im Geschäft mit fossilen Energien – Studien anzufertigen, in denen die negativen Auswirkungen einer steigenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre heruntergespielt und ihre Vorteile hervorgehoben werden. Ausgewogene wissenschaftliche Arbeit ist das nicht. Und zusätzlich besteht das oben beschriebene Dilemma: Die Auftraggeber der Studien werden vertuscht und damit auch die Lobbyarbeit, die hinter ihnen steckt.]
Was ist an all dem neu? Nichts! Lobbyismus an sich und ihr Instrument eines nicht hinreichenden, oberflächigen Skeptizismus ist ein alter Hut! Jedoch passen sich Akteure dem #Neuland „Internet“ auf bedenkliche Art und Weise an. Denn sie bloggen und kommentieren i.d.R. einseitig und anonym und unterfüttern diese Meinungen mit Studien der genannten Institute. Ein Produktionsprozess aus einer Hand, der in PR-Kreisen unter das Kunstwort „Astroturfing“ (sehr frei übersetzt: vorgetäuschte Graswurzelbewegung) fällt. Im Ergebnis entsteht bei Durchsicht der Kommentare zu Online-Artikeln das Gefühl, dass die Position der Klimaskeptiker die der meisten Bürger Deutschlands darstellt. Entspricht dies der Realität?
Mit welcher Vorgehensweise kann diese Frage beantwortet werden? Ganz einfach, man suche eine repräsentative Umfrage zum Thema „Klimawandel – Mythos oder Wahrheit“ und vergleicht deren Ergebnisse mit der Anzahl klimaskeptischer Äußerungen in einem beliebigen Online-Artikel. An dieser Stelle haben wir uns für eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov (im Auftrag der DPA im Januar 2011) entschieden. Dieses hatte durch eine Stichprobe von 1020 Befragten „herausgefunden“, dass 57,1% der Deutschen von einem menschengemachten Wandel des Klimas ausgehen, während 27,5% der Deutschen einen Zusammenhang zwischen Klima und CO2-Ausstoß verneinen. Die restlichen 15,4% haben zu dieser Frage keine Meinung. Diese Relationen müssten sich mit den Zählungen der Online-Kommentare ansatzweise decken. Sprich der Anteil klimaskeptischer Kommentare müsste um die 27,5% liegen. Sollte der Wert darüber liegen, spricht dies für eine mediale Omnipräsenz von (organisierten) Klimaskeptikern. Doch wie kann man scheinbar (organisierte) klimaskeptische Kommentare als solche erkennen? Ganz einfach, indem man sich die Strategiegrundlage der „PR-Krieger“ der konventionellen Energiebranche (Zeit-Ausgabe Nr. 48 2012) bewusst macht.
Die drei folgenden Schritte sind maßgeblich:
Sollten sich in einem Kommentar diese drei Regeln widerspiegeln, liegt der Verdacht einer einseitigen interessensgestützten Meinung nahe. Und genau mit dieser Vorgangsweise wurde der Online-Artikel „Klimawandel: Forscher warnen vor arktischer Kosten-Zeitbombe“ (erschienen auf Spiegel.de am 24.07.2013) betrachtet. Folgende relative Häufigkeitsverteilungen sind bei Durchsicht der 240 Kommentare zu nennen:
Natürlich sind diese Zahlen nicht 1 zu 1 übertragbar. Aber deutlich wird, dass sich die Anzahl der Kommentare von Klimaskeptikern und Klimadogmatikern in dem Artikel die Waage hält (17,5% zu 15,4%). Werden die restlichen 161 Kommentare ignoriert, ergibt sich eine relative Häufigkeitsverteilung von 53,2% (Klimaskeptiker) zu 46,8% (Klimadogmatiker). Verfährt man genauso mit der Umfrage von YouGov, ergibt sich ein Verhältnis von 67,5% (582 Klimadogmatisten) zu 32,5% (281 Klimaskeptiker).
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Die Differenz zwischen dem Anteil klimaskeptischer Kommentare in dem Online-Artikel (53,2%) und dem Anteil der Klimaskeptiker in der genannten Umfrage (32,5%) ist erheblich. Die zugegebenermaßen mit solch geringem Datenmaterial erstellte Hypothese dieser Beobachtung ist die, dass organisierte Klimaskeptiker im Auftrag einseitiger Interessensvertretungen das öffentliche Meinungsbild auf diese Art beeinflussen.
Abseits dieser unredlichen und fern jedem wissenschaftlichen Anspruch liegenden Methode, besteht noch eine weitere Möglichkeit die angesprochene Hypothese „herzuleiten“. So ist es z.B. bezeichnend, dass in den hitzigen Kommentaren des Online-Artikels „Klimakrieger“ (erschienen auf Zeit.de am 28.11.2012) mindestens 5 Kommentare auf die Webseite kaltesonne.de verweisen. Eine Webseite, die von einem bekannten Klimaskeptiker und RWE-Mitarbeiter betrieben wird. Solche Verweise werden in einem bestimmten sprachlichen Duktus getränkt, der auf monotone Feindbilder des „Ökofaschismus“, der „Ökodiktatur“, der „Feinde der Wirtschaft“, der „grünen Endzeit-Esoterik“, des „grünen Stammtischs“ u.v.m. hinausläuft.
Ein besonders deutliches Beispiel stellt ein Kommentator dar, der nicht unter einem Synonym sondern unter seinem wirklichen Namen schreibt und die „Studienergebnisse“ seiner Firma „KE Research – die Andersdenker“ durch Platzierungen in den jeweiligen Kommentaren präsentiert. Das Ergebnis all seiner Studien lässt sich so zusammenfassen: „Der anthropogene Klimawandel ist ein Märchen; Atomkraft ja, bitte; Umweltpolitik sollte von den Unternehmen gestaltet werden“. Der Betreiber von KE Research ist ein fleißiger Kommentator:
Die angeführten und nachprüfbaren Beiträge legen durchaus den vermuteten Verdacht nahe, dass einzelne Interessengruppen durch großflächiges Posten in öffentlichen Foren das Meinungsbild der Allgemeinheit verzerren: Denn der Kommentator von KE Research repräsentiert nicht 960 Bürger durch 960 Posts, sondern eben nur seine Meinung – versehen mit einem Multiplikator von 960.
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