
Kühl betrachtet: Die Auswirkungen der Hitzewelle auf die Energiewirtschaft
Kaum ein Thema hat Deutschland in den letzten Wochen so umgetrieben wie die Hitzewelle dieses Sommers. Gemeinsam mit unserem Meteorologen Marc Philipp Wochnik resümieren wir, wie sich das Extremwetter auf unsere Energieversorgung und die Strombörsen ausgewirkt hat.
Verena Dubios: Wir konnten in den letzten Wochen beobachten, dass die konventionellen Kraftwerke massive Probleme durch die Hitze bekommen: Mehrere Atom- und Kohlekraftwerke mussten ihre Leistung drosseln, da die Kühlwassernutzung die bereits kritischen Temperaturen der Flüsse weiter erhöht hätte. Welche Auswirkungen sind bei den Erneuerbaren spürbar?
Marc Philipp Wochnik: Mit wenigen Ausnahmen hat die Hitze keine Auswirkungen auf die Erneuerbaren, zumindest nicht unmittelbar. Im Solarbereich etwa gibt es zwar minimale Wirkungsgradverluste bei sehr hohen Temperaturen, trotzdem ist der Sommer 2018 eine echte PV-Rekordsaison: Wie das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) meldet, erzeugten Solaranlagen im Juli 2018 6,7 Terawattstunden Strom. Damit erzielte PV nicht nur das beste Ergebnis aller Zeiten in Deutschland. Mit einem Anteil von rund 15 Prozent an der Stromerzeugung lieferte Solarenergie sogar mehr Vollaststunden Strom als Atomkraft. Dieser Spitzenwert ist darauf zurückzuführen, dass der Leistungsverlust durch Hitze mehr als kompensiert wird durch lange Tage mit wenigen Wolken.
Problematischer ist allerdings die für die Wärme verantwortliche Hochdruckwetterlage selber. Diese geht einher mit einer klaren Windarmut. Insofern hat der Wind in diesem Jahr noch weniger als im Sommer üblich zum Strommarkt beigetragen.
Als Folgeerscheinung des Dürresommers könnte es außerdem zu Einbußen bei Biogasanlagen kommen, die Mais und Gras für die Stromproduktion einsetzen. Aufgrund der zu erwartenden Ernteausfälle werden Substratengpässe befürchtet. Mit Hilfe von Substratalternativen und/oder dem Wechsel vom Vollastbetrieb zu einer bedarfsorientierten Einspeisung könnten sich die Ausfälle aber kompensieren oder zumindest abfedern lassen.
Unterm Strich fallen aber die Produktionsverluste der thermischen Kraftwerke durch das Abregeln oder die teureren Gestehungskosten durch Flachwasser in den Flüssen deutlich mehr ins Gewicht als die Einbußen bei den Erneuerbaren. Zumal die Verluste im Bereich Wind, vor allem über den Tag hinweg, fast immer durch hervorragende PV ausgeglichen wurden.
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Verena Dubois: Durch den massiven Einsatz von Klimageräten lag der tägliche Stromverbrauch in diesem Sommer mit 1,36 Milliarden Kilowattstunden deutlich über dem Durchschnitt. Diese erhöhte Nachfrage traf auf ein reduziertes Angebot. Sind die hohen Preise auf den Strommärkten Folge dieses Szenarios?
Marc Philipp Wochnik: Natürlich gab es im Juli einzelne Preispeaks. Allerdings spielten da weniger die oben beschriebenen Hitzeprobleme eine Rolle. Das Stromangebot war vor allem deshalb reduziert, weil in den Sommerferien – so wie üblich – sehr viele Großkraftwerke in Revision gegangen sind. Hieraus sind die Knappheitssignale überhaupt erst generiert worden.
Die höhere Stromnachfrage ist ebenfalls kein zentraler Faktor. 6 Prozent Aufschlag auf den durchschnittlichen Verbrauch entsprechen grob 3-5 Gigawatt Mehrnachfrage in den Spitzenstunden. Das sind Größenordnungen typischer Prognosefehler im Winter und wahrscheinlich sogar weniger, als durch die Ferienzeit in der Industrie wiederum eingespart wird. Das ist nichts, womit unser Stromsystem nicht umgehen könnte. Auch beim Blick nach Frankreich zeigt sich, dass das hohe Preisniveau an der Strombörse nicht durch die Hitze erklärbar ist: Dort war es nicht minder warm als bei uns und Kühlgeräte sind noch erheblich stärker verbreitet als hierzulande. Dennoch lagen die Preise in Frankreich teilweise sogar unter den deutschen.
Verena Dubois: Wie erklärst du dir dann die hohen Börsenpreise?
Marc Philipp Wochnik: Die teilweise sehr hohen Großmarktpreise wurden schon weit vor dem Sommer eingenommen. Auch das nun eingetretene Ende der Hitzewelle zeigt, dass die Ursache für hohe Preise andernorts zu suchen sind: Es ist mittlerweile deutlich abgekühlt, hinzu kommen Einspeisewerte von 20 GW Wind im Base und um 20 GWp im Peak. Dennoch sind die Preise für das letzte Wochenende nicht unter 42 € /MWh im Base gefallen. Noch vor einem Jahr wäre in dieser Konstellation möglicherweise ein 20 €/MWh-Base unterboten worden. Das hohe Preisniveau ist somit keine direkte Folge der Sommerhitze. Es ist vielmehr auf gestiegene Preise für Kohle und Gas und die erhöhten Kosten für Emissionszertifikate zurückzuführen.
Verena Dubois: Wie ist abschließend deine Einschätzung als Meteorologe zum Sommer 2018: Ist die Hitzewelle der letzten Wochen Ausdruck des Klimawandels oder nur ein zufälliges Wetterphänomen?
Marc Philipp Wochnik: Einzelne Extremereignisse sind zunächst immer zufällige Ereignisse der „Statistik“ Erdklima und machen daher alleine noch keinen Klimawandel. Dennoch ist die Häufung, mit der wir Extremwetterlagen in den letzten Jahren beobachten, ein durchaus valider Indikator, dass es zu Veränderungen gekommen ist. Hinter der Hitzewelle der letzten Wochen steckt im Wesentlichen eine sehr persistente Hochdruckanomalie. Dieses Strömungsmuster mit immer wiederkehrendem Hochdruck beschäftigt uns seit beinahe zwei Jahren mit nur wenigen Unterbrechungen. Man kann also durchaus davon sprechen, dass sich die Zirkulationsformen auf dem Globus massiv verändert haben. Die jüngste Hitze ist nicht ohne Grund nordhemisphärisch überall ein Problem.
Auch die Energieblogger haben sich mit dem Sommer 2018 beschäftigt: Sommerwetter: 10 Millionen Menschen ernten Solarenergie
Hinweis: Next Kraftwerke übernimmt keine Gewähr für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Angaben. Der vorliegende Beitrag dient lediglich der Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.
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