Es gibt diese Orte, an denen man sich der Zukunft ein paar Schritte näher fühlt. Und nein, das muss nicht der neueste Supertower auf der arabischen Halbinsel oder das schicke Loft des nächsten großen Dings aus dem Silicon Valley sein, manchmal ist es ein ehemaliges Waffendepot der Bundeswehr im winterlich verregneten Münsterland.
Wo einst die Munition für den Kalten Krieg einlagerte und heute die Bürger des Landkreises ihren Sperrmüll abliefern können, drehen sich die Windräder zwischen den Solarpanels, die auf Bunkerdächern montiert sind, eine Biogasanlage werkelt vor sich hin und mittendrin, in einer unscheinbaren Fabrikhalle, wird Biomüll zu Grünstrom. In zwölf luftdichten, garagengroßen Containern – den Fermentern – gärt der Biomüll der Region, bis er nach verschiedenen Prozessschritten zu Humus kompostiert wird.
„Bei der Vergärung unter Sauerstoffabschluss entsteht Methan, das wir anschließend in zwei Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme wandeln“, erklärt Stefan Wernsmann, Betriebsleiter des Kompostwerks der Entsorgungsgesellschaft Steinfurt (EGST). „Pro Jahr kommen wir auf 3,7 Millionen Kubikmeter Biogas, die aus dem Biomüll der Region entstehen. Damit können wir Strom für 2000 Vierpersonenhaushalte produzieren.“
Die beiden Blockheizkraftwerke mit je 527 kW Leistung sind in den Next Pool, das Virtuelle Kraftwerk von Next Kraftwerke eingebunden. Über eine Fernsteuereinheit können die Kölner Stromhändler die BHKWs regeln, also deren Leistung anpassen. Mit dieser Flexibilität nimmt die Anlage der EGST am Regelenergiemarkt der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber teil. Durch die Lieferung von Regelenergie – einer Reserve zur Stabilisierung der Stromnetze – erzielt die EGST Erlöse, die über die reine Stromvermarktung mit Next Kraftwerke hinausgehen. „Eine Besonderheit ist, dass unsere beiden BHKWs in der Regel mit etwa 750 kW laufen, wir also sowohl nach oben als auch nach unten regeln können“, führt Stefan Wernsmann aus. Next Kraftwerke bietet die Anlage den Übertragungsnetzbetreibern daher für Abrufe von positiver und negativer Regelenergie an, um sowohl Unter- als auch Überspeisungen des Stromnetzes abfedern zu können.
Der Algorithmus des Virtuellen Kraftwerks, der die Aktivierungen der Übertragungsnetzbetreiber in kürzester Zeit auf die vernetzten Anlagen verteilt, berücksichtigt verschiedene individuelle Restriktionen der beteiligten Anlagen. So auch in Steinfurt: Damit die Wärmeversorgung des Areals gesichert ist, liegt die Begrenzung bei negativen Regelenergieabrufen bei 50% der BHKW-Kapazität. Die Blockheizkraftwerke werden also nicht ausgeschaltet, sondern lediglich auf Teillast reduziert.
„Die Abrufe von Regelenergie laufen problemlos und oft unbemerkt“, ergänzt Stefan Wernsmann. „Wir haben auch immer genügend Wärme übrig und auch die Fermenter vertragen kürzere Schwankungen in der Wärmezufuhr problemlos.“
Die Gegenwart bereitet keine Probleme, daher kann sich Stefan Wernsmann wieder der Zukunft widmen. Die nächste Führung internationaler Besuchergruppen steht bald an. Vielleicht lässt sich ja jemand aus Arabien oder Kalifornien hier inspirieren.
Installierte Leistung: | 1.054 kW (elektrisch) |
Jährliche Stromproduktion: | 6.500 MWh |
Eingesetzte Bioabfälle pro Jahr: | 45.000 Tonnen |
Gewonnener Kompost pro Jahr: | 12.000 Tonnen |
Link zur Partnerwebsite: | Mehr zum EGST |
Eingesetzte Produkte: | Direktvermarktung und Regelenergie |